Die Brücken am Fluss - The bridges of Madison County
Heute habe ich diesen Film mal von ganz zu Beginn bis zum Ende angeschaut. Er kam im TV. Schon früher stiess ich auf ihn, zappte dann doch weiter, weil mich seine damals etwas langatmige erscheinende Stimmung nicht halten konnte in der 5-Sekunden Zapperei.
Wer den Film nicht kennt, findet in der IMDB alles über ihn. Als ich nach dem Schauen des Films mal noch in dieser DB nachschaute, um eine Seher-Rezensionen zu lesen, stiess mir auf, wieviel die Leute sich an den Darstellern Client Eastwood (Robert) und Meryl Streep (Francesca) aufhalten können. Mir sind die Schauspieler jeweils total egal, mir geht es um die Stimmung, die Schwingung, die das Gespielte in mir zum Klingen bringt.
Ich liebe mittlerweile stimmungsvolle Filme, die durchaus langsam und ruhig daherkommen, denn sie haben meistens das Potential, essentielle Dinge anzuregen.
Mich rührten jeweils die Szenen zu Tränen, in welchen von diesen beiden Menschen entschieden werden sollte, wie sie den Rest ihres Lebens gestalten mochten. Sie als Mutter zweiter halbwüchsiger Kinder mit einer bis weit hinaus geregelten und absehbaren Zukunft, er der herumreisede, nirgends sesshafte Sucher treffen sich für 4 Tage, finden heraus, dass sie sich jeweils ergänzen und wollen auf dieses Gegenüber nicht mehr verzichten. So wird es am Ende dieser 4 Tage die Existenzfrage, ob sie mit ihm gehen will. Sie entscheidet sich unter seelischen Schmerzen fürs Bleiben. Gegen Ende des Filmes erfährt man, dass auch ihr Ehemann sie sehr liebte, aber offenbar eher still war. Das ist das einzige, das ich am Film schade fand, dass die Zeichnung, die Beziehung zum Ehemann nicht ausgefüllt wurde. So kann man sich leicht in ihren Zwiespalt versetzen, weiss man doch nicht, ob sie eine glückliche Zeit mit ihrem Mann verbrachte.
So oder so: Wenn die Liebe einmal so losbricht, wie sie sicher schon viele erlebt haben, kann sich jeder Zuschauer vorstellen, dass es krass wird.
Wahre Liebe (nicht bloss die zwischen den Geschlechtern) ist die härteste Strahlung, sie durchdringt alles und löst alles auf. Jede überwachsene Mauer, längst begrabene Vorstellungen, Wünsche, Verzichte, Enttäuschungen, schmerzhafte seelische Zustände kommen hoch und erinnern einen, was einmal wichtig schien - und nie abgeschlossen wurde.
Liebe rüttelt an dem Charakter Francesca in der Zeit, in der sie für 4 Tage ohne auslastende Beschäftigung - weil ohne Kinder und Ehemann - war. Robert erscheint als eine Ablenkung aus ihrem Alltag. Robert findet seinen Hafen, er öffnet sein Herz und kann sich (endlich?) für ein Bleiben entschliessen.
Dass er nicht bleiben kann, ist vom Filmkonzept her klar, denn er und sie haben auch eine körperliche Beziehung, von der unterschwellig transportiert wird, dass sie die Ehe zerstören würde und so ist es klar, dass keine andere Lösung als ein Druchbrennen oder Dableiben machbar scheint. So ist es vor allem sie, die eine Entscheidung treffen muss.
Für mich das bemerkenswerteste ist, dass wir - wenn wir in solchen Situationen kommen, diese überrumpelnden emtoionalen Stimmungen - unsere Wertesysteme überprüfen können. Was ist uns wichtig? Francesca lässt erkennen, dass sie sich der emotionalen Bredoulle schon bewusst ist, als sie ihn anfährt, sie sei halt nur eine einfache Frau. Sie scheint in ihren Vorstellungen andere Lebensweisen schon attraktiver, lebenswerter beurteilt zu haben. Robert hingegen sieht in ihr der Hafen, das Ende seiner Reise. Deshalb die Ergänzung. Eigentlich das Beste, was Menschen passieren kann.
Francesca geht daher durch die emotionalen Zwiste, das langweilige Leben hinzuwerfen und durchzubrennen. Gegen Ende der 4 Tage wissen beide, wie sie sich entscheidet, bevor es ausgesprochen ist. Sie erkennt, dass diese 4 Tage ein Glück sind. Unbelastet von Alltag, Pflichten, Ärger, abschwellender Liebe. Sie erkennt das Glück, denn Glück ist einmalig. Man kann es nicht festhalten und es wiederholt sich nicht. Sie erinnert sich an dieses Glück für den Rest ihres Lebens.
Ihren Ausgleich für die längst angezeigte Seelenhygiene findet Francesca in einer Person, die längst als Paria in jener Gesellschaft lebt und mit der sie sich dann nach diesem Erlebnis mit Robert tief verbindet, mit der sie alle Dinge austauschen kann, die sie wohl auch mit ihrem Ehemann nicht teilt. So kann sie ihre Sehnsüchte jemandem mitteilen, denn sie vergisst Robert ihr ganzes Leben lang nicht mehr. Er auch nicht, denn er vererbt ihr alle seine wichtigen Dinge.
Und von all dem erzählt sie ihren Kindern nichts, sondern lässt sie nach 30 Jahren in ihrem Nachlass eine Erklärung und drei Tagebücher finden, die ihre beiden Kinder dann mit schwankender Gefühlslage einander vorlesen.
Der Schluss des Filmes hat eine etwas künstlich wirkende, aber aus meienr Sicht durchaus gewünschte Message: Ihre beiden erwachsenen Kinder machen sich wieder mal Gedanken, was ihnen wichtig ist und wieso sie ihre Partner haben und dass diese wohl schon lange nicht mehr zu merken bekamen, wieso sie sich für eben diese entschieden haben.
Was ist wichtig für mich? Für mich eine der zentralen Fragen während aller unserer Zeit im Leben. In Beratungen diene ich dem Kunden immer an, sich diese Frage wirklich zu Herzen zu nehmen und sie sich ehrlich zu beantworten - gerade dann, wenn Streit, Rechthaberei, Stolz, Hass, Verschmähung etc. in ihrem Lebensumständen herrschen. Es beansprucht seine Zeit, vor allem, wenn es lange Jahre genährte Zustände sind. Wenn der Kunde dann seine Lösung findet, die ihn ausgleicht, dann ist es nur noch seine Aufgabe, entsprechend zu handeln. Erst diese Tat wird ihre volle Wirkung auf den Menschen entfalten. Und er möge sich jemanden finden, der völlig ausserhalb des privaten Bereiches ist, damit mit ihm ausgetauscht werden kann über die Inhalte, die eben Privates betreffen.
Dieser Film berührte in mir auch wieder einmal genau dies: Was ist mir wichtig? Wie ehrlich bin ich mir selbst gegenüber? Was ist Glück? Und wieviele Male wollte ich das erlebte Glück schon wiederholen? Und was hat's mir gebracht? Deshalb fand ich ihn gut.
Mfg Michael