Sihlcity - wieder was, was niemand braucht(e)

Nun ist es eröffnet, die gigantomanische Umnutzung der alten Papierfabrik an der Sihl in Zürich bei der Allmend. Das alte Fabrikgelände wurde bekanntlich mehrere Jahre lang besetzt von Alternativen und Künstlern.

Nett die Meinung eines ehemaligen Hausbesetzers und Künstlers zur Tatsache, dass einige ehemals künstlerisch verzierte Säulen als Reminiszenz an die Vergangenheit in neuen Restaurants konserviert wurden: Es sei die Höhe, diese ehedem verteufelte Kunst nun als Exposé des Kommerztempels zu nutzen.

Er sei das erste und letzte Mal dort gewesen: Es gebe nichts, was man im dichten Zürich nicht innert 2 km auch kaufen könnte. Es sei einfach eine Ballung von Läden. Wir Schweizer kennen ja eh schon alle Läden, die wir dort finden, es sind die üblichen Verdächtigen.

Der Projektleiter habe an einem Eingang die Besucher gezählt, die innert einer Stunde in die Sihlcity strömten und war erfreut darüber, dass es so viele seien.

Wenn er sich da nur nicht täuscht. Schliesslich wollten sicher die meisten einfach mal die derzeit im TV äusserst stark gefeatureten Bilder in Real sehen.

Nun kann man also in einem Dutzend Restaurants essen, in 9 Kinosälen einnicken, auf 3 Dance-Floors hopsen und in 80 Läden Geld ausgeben. Wer vor lauter sinnbetörendem Konsum doch irgendwie von Gewissensbissen geplagt wird, kann sich diese in der eigenen Kirche austreiben lassen. Anreise bitte mit ÖV. Ok, Zürich-Südwest hat nun auch seine Kommerzecke wie Zürich-Nord. Aber wer brauchte die denn?

Für lokal Unkundige sei gesagt, dass die Sihl einmal ein schöner Fluss war, der in die Stadt enifloss und sich mit dem Abfluss des Zürichsee vereinigt. Seit mehr also 30 Jahren schwingt sich als Hochstrasse über der Sihl ein Autobahnprovisorium in die Stadt und verschlang das notwendige Licht, das das Flussufer zu einer blühenden und lebendigen Naturlandschaft spriessen liess. An eben dieser Sihl wurde nun dieser CHF 600 Mio. Klotz hingestellt. Es ist klar, dass die Renaturierung der Sihl damit völlig vom Tisch ist.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich meine wohl klare Meinung gegen solche reinen Kommerzkästen darlege, die verwaisen, wenn keine Öffnungszeiten herrschen.

Es ist einfach so, dass der kommerzielle Erfolg nicht mal gesichert ist, denn immer mehr solche Zentren buhlen um die Gunst der gleichbleibend zahlungskräftigen Kundschaft. Die Schweizer geben nicht mehr Geld aus, wenn was Neues angeboten wird, nur anderswo. Mal sehen, was die naheliegende Migros erleben wird. Freude dürften wohl die Tausende von Arbeitern der Credit Suisse haben, die nun ihr verdientes Geld praktisch ohne nass zu werden vom Üetlihof zur Sihlcity tragen können. Diese Menschen könnten ihr Leben nun also komplett abhandeln zwischen Arbeitsstelle und Einkaufs- und Erlebniszentrum, alles bestens erschlossen mit in Tiefgaragen einfahrenden Bussen etc.

Toll auch die synthetische Tagesgestaltung des Verkaufspersonals: Irgendwo unten in Sihlcity bei Kunstlicht dahinvegetieren in In-Schuppen der Modebranche oder Boutiquen-Biotopen ... naja, immerhin, die werden vom Klimawandel nichts mitbekommen ...

Kommentare (Kommentar-Moderation ist aktiv. Ihr Kommentar erscheint erst nach Prüfung.)
BlogCFC was created by Raymond Camden. This blog is running version 5.9.8.012. Contact Blog Owner