Darwin oder Intelligent Design?
Heute kam im Schweizer TV ein DOK über den in der USA stark wachsenden Gedanken, dass Darwin mit seiner Evolutionstheorie falsch liege und dass es einen Plan gebe, von Gott natürlich. Dies wird allgemein als Intelligent Design (ID) benannt.
Michael Behe, Verfechter des ID, fand ein Tierchen, ein Flagellum, das aus 50 Teilchen bestehe. Wenn man nur einen Teil an dieser biomechanischen Maschine entferne, sei es nicht mehr lebenfähig. Dies würde bedeuten, dass es eben nicht entwicklungstheoretisch entstanden sein könnte, denn dann müsste sich das Flagellum ja aus irgendwas entwickelt haben, etwas einfacherem. Behe sagte daher, dass diese Grenze der nicht weiter reduzierbaren Komplexität ein Beweis sei, dass es einen Plan geben müsste, denn wie sonst hätte ein Tierchen entstehen können, das bereits auf 50 Teilen besteht, das bei Fehlen nur eines Teilchens nicht mehr funktioniert, das also nicht aus etwas Primitiverem entstand?
Diese nicht mehr reduzierbare Komplexität sei auch ein Thema gewesen, das Darwin selbst als Stolperstein in seiner Theorie gesehen habe. Er meinte, dass das Auftauchen eines solchen Organismus seine Theorie vernichtet hätte.
Diese ID-Theorie sei allerdings widerlegt worden, so dass dem ID der Boden entzogen wurde, wenigstens teilweise: Dsa genannte Flagellum könnte bis zu 80% seiner Maschinenteilchen verlieren und dennoch funktionieren. Ok, dann ist die nicht mehr reduzierbare Komplexität statt bei 50 halt bei 10 Teilchen. So, what's the point?
Klar, wenn sich ID im Revier der Wissenschaft behaupten muss, hat sie es schwer. Umgekehrt wagt die Wissenschaft ja nicht mal eine Fussspitze ins Revier des "Glaubens". Sie hat ja schon Berührungsängste mit dem sogenannt Übersinnlichen und Dingen, die jeder Mensch im Alltag schon x mal erlebt hat. Siehe das 7. Experimente-Projekt von Rupert Sheldrake. Ich habe bisher noch nie gehört, dass die Wissenschaft eine Theorie für Empathie, Telepathie, Uri Geller etc. etc. anzubieten hätte.
Es ist klar, dass die arrivierte Wissenschaft völlig dagegen ist. Denn sie graben ja aus, was sie finden wollen in den Gesteinsschichten. Ihre Beweislage - oder besser, ihr Anspruch darauf, dass sie richtig vorgehe - ist die Beobachtbarkeit und die Voraussage. Letztere gewinnt man durch Bildung einer Theorie, die eine Beobachtung erklären soll. Solange nichts und niemand eine Theorie falsifiziert, gilt sie eben als wissenschaftlich "gute" Theorie.
Bisher sind alle mir bekannten Wissenschaften empirisch. Das heisst, sie sind nicht bewiesen im Sinne eines mathematischen Beweises, sondern sie erhärten sich in der Schleife von Beobachtung und Voraussage. Solange die Voraussagen stimmen, gilt die Theorie als richtig, und damit als wissenschaftlich fundiert.
Dumm nur, dass die Evolutionstheorie selbst gemäss ihrer Verfechter nur 99% des Lebens erklären kann. Das eine Prozent wisse man halt noch nicht. Es ist auch für sie erstaunlich, dass eine Motte eine DNS habe, die aus Millionen von Sequenzen besteht ... für so ein "einfaches" Tier.
Die Verfechter der ID beobachten auch - deshalb kommen sie ja auf die Idee eines Schöpfers - haben aber keine Voraussagen, die man nachprüfen könne. Gemäss ihren Feinden erklärt sie 0% des Lebens. Deshalb könne sie nichts taugen.
Das ist die Basis des Streits. In der USA ist es deshalb so emotional, weil dieses Volk verblüffenderweise doch sehr religiös ist, und die ID-Fans diese Geschichte eben auch lehren wollen und ja auch schon tun. Das materialistische und rationale Amerika fürchtet sich um seinen Ruf als wissenschaftliche Grossnation.
Wer erinnert sich noch an die Bibel? Wer hat noch gespeichert, was da so über die Schöpfung stand und was seine Gedanken dabei waren?
ID wird vor allem von sehr bibeltreuen Leuten bevorzugt. Deshalb bekam das ID auch den Namen Kreationismus, eine religiöse Weltanschauung. Für mich ist ID aber unabhängig von religiösen Wunschträumen diskutierbar. Dem ID wird jedoch auch eine subversive, soziopolitische Färbung unterstellt - dies kann ich nicht beurteilen. Ich denke, dass ID nur deshalb so emotional behandelt wird, weil sie eben Religion ins Spiel bringt. Und das berührt die Menschen eben tiefer, denn mit dem Glauben ist jeder Mensch irgendwann mal konfrontiert - bei der Wissenschaft kann er sich raushalten.
Die Wissenschaft war bisher noch nie in der Lage, Leben herzustellen. Sie kann also nicht beweisen, dass ihre Theorie reicht, um das Leben zu erklären. Die Kosmologie kann nicht erklären, wie das Universum entstanden ist. Sogar der Big Bang steht ja zur Disposition. Wer sich hier mal schlau machen will, dem empfehle ich das amüsante und breitbandige Telepolis Spezialheft Kosmologie. Man kann es meiner Meinung nach ohne grosse Vorkenntnisse lesen. Es ist eine Sammlung von Artikeln zum Thema Univerum, Entstehen und Vergehen. Es ist da spannend zu beobachten, dass die hellsten Köpfe nur spekulieren können, wie das Universum aufgebaut ist, wie es entstand und wie es sich entwickeln wird.
Diesbezüglich ist diese hochtechnische Wissenschaft der Kosmologie ein reiner Fantasiespielplatz. Genauso wenig gesichert wie das Postulat eines Schöpfers, eines Planes in der ID.
Ich finde diesen Streit belustigend. Obwohl ich seit kleinauf sehr wissenschaftlich interessiert war und alles las, was mir in die Hände kam, war ich mir doch nie sicher, dass es so ist, wie es erklärt wird. Ich erinnere mich an einem Schulausflug ins CERN, wo ich den Führer in Verlegenheit brachte, weil ich Fragen nach Gluonen oder Gravitonen stellte.
Als Naivling stellte ich natürlich auch die Frage, was war vor dem Big Bang, ahnend, dass diese Frage schon damals nicht beantwortbar ist.
Es ist für mich also klar, dass weder die Wissenschaft die Wahrheit gepachtet hat (man erinnere sich, dass die Wissenschaft auch mal sagte, die Erde sei eine Scheibe, oder dass die Wälder stürben etc) noch das ID.
Das ID erlaubt sich jedoch einfach, sich wie ein staunender unbedarfter Mensch hinzustellen und festzustellen, dass es nichts weiss. Doch auch die Wissenschaft weiss nichts. Sie kann auch heute noch unzählig viele Effekte nicht erklären.
Was ist da also so schlimm? Esoterische Kreise sagten ja eh voraus, dass sich Amerika mal spirituell erneuern müsse. Ich denke, wir wissen schon wieso. Die knallharte Doktrin des Kapitalismus, das Selbstverständnis des guten Weltpolizisten, den Pace-Maker des westlichen Life-Style - all das gehört auf die Müllhalde.
Was wäre denn so schlimm daran, das ID als gleichwertig anzuerkennen? Dass sie weder wahrer oder falscher ist als Einstein, Darwin, Hawking meine ich dargelegt haben zu können. Klar, es würde den Bankrott des ewigen Suchers (= der "Wissenschaftler") eingestehen. Denn was müsste man dann akzeptieren? Dass alles Wissen nur Glaube an eine Theorie ist? Genau. Und ID ist auch Glaube an eine Theorie.
Und was kann der normale Mensch nun überhaupt nicht aushalten? Dass vermeintlich Sicheres nicht so ist, wie es lange geglaubt wurde? Was die Wissenschaft ja schon selbst einige Male durchlebt hat.
So ist es.
PS:
Auch mein Liebling Harald Lesch kann nicht festlegen, ob es Zufall ist, dass wir in diesem Universum leben oder ob das Universum extra so gebaut ist, dass wir darin leben können. Würde er das tun, wäre er sofort beim ID oder nicht.
lass mich erstmal erwähnen, dass ich mich mit Freuden durch deinen Blog wühle, ich finde deine kritische Art sehr wohltuend. Ich mag wie du denkst und schreibst!
Ich denke der grosse Unterschied zwischen der ID und der Darwin'schen Theorie liegt darin, dass das eine eben Religion ist. Wie du sagtest, Wissenschaft ist immer falsifizierbar, und alles was man tun kann ist schlussendlich nur, den gerade neuesten Stand der Dinge weiterzugeben. Ich persönlich halte die meisten unserer Modelle zur Erklärung von Leben und der Welt für hoffnungslos unvollständig, weil sie ja immer nur Teile erklären.
Die Religion hingegegen, nun, gerade weil sie Religion ist und die Menschen tief berührt ist sie m.E. ein Problem. Der Streit ging ja vor allem darum, was man in Schulen lehrt, Kreationismus oder Evolutionstheorie. Ich kann Religoinsfreiheit nicht gewährleisten wenn ich in wissenschaftlichen Fächern religiöse Mythen als allgemeine Grundsätze verkaufe, das gehört m.E. in den Religionsunterricht. Du hast Recht dass man auch an die Wissenschaft nur glauben kann, dass sie eigentlich den religiösen Mythen deshalb nicht überlegen ist. Aber meistens (!) ist Wissenschaft wertefreier eben weil es jedem offensteht die geltenden Grundsätze zu falsifizieren.
Bei der Grundlage von religiösen Mythen gibt es das nicht, weil diese Mythen eben so sind. Sie sind alt, sie sind in Ordnung so wie sie sind. Aber was mich daran etwas stört, dass nach dem Beispiel der USA, eben auch christliche Weltanschauung über diese Mythen als Wissenschaft weitergegeben würde.
Naja, vielleicht fühle ich mich auch nur unwohl, weil ich als katholisch Erzogene damit kämpfe diese Weltanschauung von "Sünde, Sünde überall" loszuwerden. Ich finde Kinder sollten die Wahl haben: Und damit das möglichst fair läuft, sollte man Ihnen wissenschaftliche Theorien als solche in wissenschaftlichen Schulfächern beibringen, und verschiedene religiöse Mythen im Religionsunterricht.
Nun, das wäre zumindest MEIN Ideal.
Ich wünsche dir weiterhin viel Spass beim Bloggen, ich freue mich auf weitere interessante Themen.
Liebe Grüsse
Yasha
Danke für die Blumen. Tut auch gut, mal wieder was von einer Leserin zu vernehmen.
Ich finde nicht, dass es einen Unterschied zwischen ID und Wissenschaft gibt im grundlegenden Sinne. Beides sind Glaubenssysteme, die ihre Kraft dadurch erhalten, dass Menschen an sie glauben, von ihnen überzeugt sind - meist ohne jemals diese Überzeugung in Frage zu stellen.
Religiöser Glaube ist Jahrtausende älter als die Wissenschaft in unserem Sinne, die ist doch grad mal höchstens 400 Jahre alt. Religion und Glaube sind dagegen alte Kameraden. Ok, glaubt man an die Geschichten von Atlantis etc. so ist unsere Wissenschaft ja weder die erste noch die am weitesten entwickelte. Auf diesem Planeten haben ja ev. schon sehr viele Kulturen gelebt und möglicherweise einen viel höheren Entwicklungsgrad erreicht als wir.
Die Wissenschaft ist die Religion für den Verstand, der Glaube für das Wesen. Jedes Wesen hat hier einen Hilfsmotor, den Verstand. Gewährt es dem die Oberhand zu gewinnen, wird es wissenschaftsgläubig, gewährt es dem Glauben die Führung, wird es religiös - beides auch bis zum Fundamentalismus.
Wissenschaft ist auch nicht wertefreier. Im Gegenteil, der Wert hier heisst "ich glaube nur, was ich sehe". Der Wert ist also Materialismus. Da sie wie gesagt für den Verstand da ist, ist sie genauso schwach, wenn es um Kausalität geht. Das dauernde Suchen nach Ursache-Wirkung kann sie nie ruhen lassen und lässt ihr auch immer die inhärente Unvollständigkeit und Unbeweisbarkeit anhaften. Das wird sie nie los in diesem Universum.
Da wir als Menschen in einem bipolaren Universum leben, ist es eigentlich ganz natürlich, dass es zwei sich klar gegenüberstehende Welttheorien gibt. Das ist halt so. Nur der, der emotionslos zwischen beiden pendeln oder sie zumindest so beobachten kann, erkennt die "Wahrheit" oder "Warheit" wohl etwas klarer ...
Du hast recht, es kann sowohl Wissenschaft als auch Religion bis zum Fundamentalismus betrieben werden.
Schlussendlich ist das schade, ich mag die Denkanstösse die die Wissenschaft oft liefert. Der grosse Unterschied ist wohl der, diese Denkanstösse nicht als in Stein gemeisselt anzunehmen. Ich denk das fällt vielen Leuten schwer, obwohl es ja gerade das sein sollte was die Wissenschaft ausmacht. Wobei, wen man diesen Grundsatz auf Religionen anwendet, kriegt man wirklich überall wunderbare Denkanstösse her.
Die grosse Frage die sich dann aber stellt, wenn man eine Religionsneutrale, nicht-diskriminierende Schule anstrebt: was sollte denn dann noch unterrichtet werden? Oder in welcher Form, ohne dass man den Kindern zu sehr vermittelt: "So war es: Punkt!" Das ist eine unheimliche Gratwanderung...
wieder einmal stellt sich heraus dass die Welt nicht so einfach ist, wie man das gerne hätte :) Naja, wuseln wir uns mal durch.
Liebe Grüsse
Yasha