Denon AVR-4310 - Ideal für Computer-Audiophilisten?

Mein 16 Jahre alter, nicht tot zu kriegender analoger Stereo-Receiver funktioniert wunderbar, leisten muss er nur selten viel bei mir, er kann noch alles, was ich ihm zuführe. Doch halt "nur" noch analog.

Da ich seit geraumer Zeit alle meine CDs auf ein NAS abgespitzt habe, hätte ich gerne ein derart zentrales Gerät gehabt, dass direkt mit digitalen Daten umgehen kann. Natürlich, es gibt Renderer wie die Popcorn Hour etc., die digitale Musik und Videos an analoge Geräte weitergeben können. Doch wenn man Audio und Video direkt vom Verstärker aus ohne Zweitgeräte nutzen kann, ist das energie- und nervenschonender.

Im Folgenden möchte ich auf diese Verheiratung von klassischer Musiktechnik mit Computeransprüchen etwas eingehen, audiophile Superhörer schauen lieber bei Stereoplay etc. vorbei, die sich berufen fühlen, die akustischen Qualitäten zu beurteilen.

Zum Denon AVR-4310 kam ich nach monatelanger papierener Evaluation seiner Vorgänger 4308/3808 und deren Konkurrenten von Yamaha, Onkyo, Sony etc. Killer-Kriterium für mich war der Ethernet-Anschluss, der sofort für eine Mindestpreisklasse verantwortlich war. Unter CHF 1900.- ging da kaum was. Weiteres Killerkriterium war der Support der Audio-Formate. Da sieht es gemäss aller heruntergeladener Handbücher düster aus, MP3 und WAV können alle. Ogg Vorbis niemand. FLAC fand ich nur im Handbuch der Denons. Hinrissig, dass HiFi-Geräte gerade das verlustfreie FLAC nicht schlucken sollen. Wer will denn wirklich verknautschte MP3-Files mit Artefakten über eine High-End-Audioanlage in die gute Stube blubbern lassen? Die Denons waren die einzigen, die FLAC gemäss Handbuch unterstützten. Aber, zumindest die neue Linie, der auch der 4310 angehört, unterstützen auch Ogg Vorbis! Das steht zwar nirgends, aber ich liess aus Gwunder halt mal den Denon auf meine Oggs los und siehe da: Fröhlich spielte der auf und eine nur im Ogg vorhandenen Andreas Vollenweider CDs erklangen wie selbstverständlich aus den Speakern.

Ich war sehr positiv verblüfft, ärgerte es mich doch immer, dass ein kostenloses(!) und besser als MP3 klingendes Audio-Format so schlecht unterstützt wird. Zunächst vermutete ich, das der TwonkyMedia-Server auf dem NAS eine Formatkonversion macht, aber der mache das nicht. Also kann der 4310 tatsächlich Ogg Vorbis. Wunderbar für mich!

Der Denon bietet seine Leistung über ein mehr oder weniger brauchbares Menü auf dem angeschlossenen TV dar. Mir als Computerbenutzer reicht das nicht, ich will den Receiver über einen Browser bedienen. Dank iPhone und Konsorten hat man ja dann auch gleich die Fernsteuerung, wenn ein lokales WLAN in Betrieb ist.

Die Umsetzung der Bedienoberfläche fürs Web ist leidlich gelungen:

Man könnte annehmen, dass man den Denon übers Web nicht nur aus-, sondern auch einschalten könnte. Das geht aber nicht. Der grüne Power-Button ist eine Farce. Denn im Standby, wo die Kiste ja doch noch am Strom hängt, läuft ausgerechnet der Webserver-Teil nicht mit. Sehr schade.

Der Support für grosse Mediensammlungen ab DLNA Media-Servern ist zwar da, aber die Steuerung ist für Leute wie mich eine Zumutung:

Man sieht, dass im Verzeichnis "Ogg Vorbis" 546 weitere Verzeichnisse vorhanden sind - und die muss man mit den beiden markierten Tasten durchforsten. Dabei geht das Blättern leider gar nicht so zügig, wie man es am Computer gewohnt ist. Zum Glück gibt es noch eine Suchfunktion, die allerdings nur nach dem ersten Buchstaben suchen kann, danach geht's wieder nur lahm mit den beiden Tasten weiter:

Man kann sich wohl leicht vorstellen, wie toll es ist, grosse (unstrukturierte) Musiksammlungen zu durchforsten.

Zum Glück gibt es für den variantenreichen Hörgenuss eine Zufallsfunktion, die innerhalb eines Verzeichnisses (oder Genres etc.) die Stücke zufällig abspielt. Aus meiner Sicht allerdings trifft die zu oft bereits gehörte Titel, denn bereits gehörte ausblenden, das kann diese Funktion nicht. Also halt auch praktisch unbrauchbar.

Auf dem Web habe ich immerhin die Möglichkeit, einen Titel direkt in den Favoritenspeicher zu übernehmen. Da Denon ja wie viele auch, das iPhone entdeckt haben, gibt es für dieses direkte Anpassungen, allerdings nicht zum Guten:

Während die Übersichtsseite noch praktisch identisch ist wie im Normalweb

ist die Umsetzung des Interfaces für Medienserver fürs iPhone eigentlich unbrauchbar.

Sofort ersichtlich ist, dass die Titel nicht komplett lesbar sind, auch wenn Safari ins Querformat geht, passt sich diese Webseite halt nicht an, die langen Titel bleiben unbrauchbar. Zudem, und das ist viel ärgerlicher, die minimalistische Suchfunktion ist hier nicht einmal vorhanden. So macht es gar keinen Spass, das iPhone als Fernsteuerung für die Mediensammlung zu nutzen.

Wie im Normalweb reagiert der Denon sofort auf Kommandos, man kann also nicht Radio hören und derweil im Medienserver schmöckern. Weiterhin ist schade, dass der Denon Musikstücke nicht nahtlos aneinander spielen kann ... so wird die klassische Symphonie hörbar an den administrativen Titelgrenzen unterbrochen.

Ihr Leute bei Denon: Wenn schon Anpassungen ans iPhone, dann bitte doch eine richtige Applikation. Das kastrierte Web-Interface ist noch schlechter als das fürs Normalweb. Jenes ist funktional zwar umfassend, aber so sexy wie ein eingetrockneter Mövenschiss.

Andere Aspekte der Computerverheiratung erkennt man ganz deutlich: Es ist schon klar, dass die HiFi-Industrie so lange wartete mit der Integration in die Computerumgebung: Geräte, die in der analogen Zeit einfach nur funktionierten, stürzen nun ab oder verschlucken sich. Ich musste den Denon auch schon einfach aus- und einschalten, bis er wieder richtig funktionierte. Sowas ist man sich von HiFi-Dingern einfach nicht gewohnt. Frage ist nur, was war zuerst da: Die Unfähigkeit, anständige Software ins Gerät zu packen oder die Angst, dass die Leute draussen das nicht kapieren würden. Wenn Bediensoftware so gemacht wird wie diese hier, dann hätte Denon lieber noch etwas warten sollen. Oder sie stellen einen Designer an, der der Software dieselbe Eleganz verleihen kann wie die der sandgestrahlten Frontplatten der Kisten im HiFi-Rack. So ist es teilweise schon eine Zumutung. Das ist sehr schade, denn das Basisgerät, der Receiver, ist ein tolles Stpck HiFi-Technik - das allerdings wohl niemand mehr von Hand direkt am Gerät bedient. Also sollten die anderen Möglichkeiten schon etwas mehr her machen.

In diesem Artikel habe ich alle anderen Dinge ausser der Bedienbarkeit über Web und iPhone ausgeblendet, denn tatsächlich ist das ein toller AVR-Receiver mit 7 Kanälen, 3 Zonen, 4 HDMI Ein- und zwei parallellem HDMI-Ausgängen. Anschlüsse zuhauf, hochwertigen Video-Upscalern, variablem Anschluss-Mapping, Einmessautomatik für die Effekt-Speaker, Internet-Radio über vTuner, Handbuch dick und umfangreich. Einzig der lineare Lautstärkeregler ist etwas mühsam, denn wir hören eben eher exponentiell statt linear. So muss man in leisen Passagen etwas lange drehen, bis es hörber lauter wird. Die Anzeige der dBs hilft da nicht so weiter.

Etwas am Rande: Ich habe den Denon über optische TOS-Links mit meiner Soundkarte verbunden. Der spielt nun brav alles ab, was vom Computer digital an ihn geschickt wird. Umgekehrt erwartete ich, dass er einfach alles, was er an die Lautsprecher rausgeben kann, auch optisch überträgt. Das ist aber nicht der Fall. So, wie's mir im Moment erscheint, kommt da nur was raus, wenn er auch digitiale Eingabequellen hat. Analoges Radio kommt da nicht digitalisiert raus. Das jedoch hätte ich gerne gehabt. Wenn's doch ginge, lasse ich mich eines Besseren belehren.

Da der Denon dank Ethernet-Anschluss eine automatische Update-Funktion hat, besteht ja Hoffnung, dass sich die Bedienbarkeit über Internet-Technologien sich noch bessert und verschönert. jQuery setzen sie ja schon ein, also ist der Web zu mehr Sexiness bereits vorhanden.

Ich lass es mal dabei bewenden. Wenn Ihr andere Aspekte dieses Geräts beleuchtet haben möchtet, meldet es einfach. Ich schaue, was ich dann machten möchte.

Kommentare (Kommentar-Moderation ist aktiv. Ihr Kommentar erscheint erst nach Prüfung.)
marc's Gravatar immerhin hat er ein webinterface, das kannst du bei yamaha, onkyo und co. lange suchen ;-)

probier doch noch die "deremote" app für denon aus http://www.deremote.com
die steuert afaik zwar nur das gerät selber aber wer weiss...

plugplayer für iphone soll evtl. auch noch was sein...

was ich wissen möchte ist ober der 4310 neural surround hat. auf der US seite steht er habe welchen, bei uns jedoch steht nichts.
gibts DSP modis wie neural cinema oder neural music? THX hat er nichts da er nicht zertifiziert ist oder?
# Erfasst von marc | 29.12.09 21:20
Martin's Gravatar Danke für Deinen Input. Werde mir die iPhone-Dinger anschauen. Der Yamaha 3900 hat ein Web-Interface. Andere in der Preisklasse wohl auch. THX hat er nicht, was mich auch nicht interessierte. DSP-Effekte hat er schon auch, habe ich probiert, klingen nett, interessieren mich aber auch nicht. Ich habe (noch) kein Heimkino, meine Wünsche sind eventuell eher trivial in Vergleich zu Deinen.
# Erfasst von Martin | 29.12.09 21:48
Pekka's Gravatar Ich habe mal beim Support von Denon angefragt, welche AVR OGG unterstützen. Die Antwort viel wie erwartet aus: Keines.
An meinem AVR X1400 habe ich es dennoch versucht und wurde auch enttäuscht. Dieser spielt keine OGGs ab.
# Erfasst von Pekka | 02.01.18 14:37
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