Meine Mutter ist gestorben - Alltag auf dieser Welt
Und wieso schreibe ich darüber? Vielleicht, weil es Alltag ist - doch sicher eher, um das, was selbst nach dem Abschiednehmen noch verbleibt, mit mir selbst zu klären. Der Vorgang, dass jemand stirbt, ist das alltäglichste, was es gibt, denn Geburt und Leben, den neuen Tag erleben, all dies würden wohl auch alle als alltäglich bezeichnen. Ja man denkt wohl nie darüber nach,woher denn das Kind kommt, was denn geschieht, wenn man einschläft, und was das Aufwachen ist ... alles hunderte Male erlebt, Gewohnheit, denn es fehlt ja nichts am Morgen, alles und alle sind immer noch da. Dem Tod hingegen begegnet man selten und er nimmt etwas weg.
Auch das wird schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Das gilt zumindest so lange, wie es nicht jemanden trifft, der im persönlichen, im familiären Umfeld lebt. Erst recht nicht, wenn es die eigene Mutter, der eigene Vater ist. Es ist zwar jedem im Kopf klar, dass nichts ewig bestehen bleibt, auch nicht die Mutter, der Vater. Doch jeder Mensch erlebt, dass die Mutter, der Vater immer da war. Bis sie dann sterben. Wie es mir dabei erging, diese Erfahrung zu machen, schildere ich hier - für mich selbst und alle, die diese Erfahrung eventuell noch vor sich haben.
Vor wenigen Tagen ist meine Mutter also gestorben - nach langer Krankheit, deren Ursache schon in einer Nierenbeckenentzündung aus ihrer frühen Jugend war. Wie sie uns Kindern erzählte, hatte diese dann die Entwicklung der Nieren auf Teenager-Alter stehen lassen, eine Niere fiel dann total aus und eine funktionierte für den Rest ihres Lebens nur knapp zur Hälfte. In den letzten Jahren ihres Lebens reduzierte sich ihre Leistung noch mehr, und führt schlussendlich trotz neulich angefangener, aber erfolgloser Dialyse dazu, dass sie sich entschied, die Dialyse deswegen bewusst zu beenden. Damit akzpetiere sie, dass sie in wenigen Tagen sterben würde. Ihr Körper war nicht nur von der Nierenschwäche geprägt, sondern auch noch von anderen, chronischen Krankheiten. Auch diese waren langjährig und sehr behindern. Wie stark sie so jeden Tag als schmerzhaften Tag erfahren musste, konnten wir nur erahnen, denn sie war immer sehr tapfer, jammerte nie gross, wollte nie jemandem zur Last fallen, doch in den letzten Jahren und Monaten war es sichtbar, dass ein Leben in so einem Körper schmerzvoll sein musste, trotz all der Medikamente, die ihn ihr eigentlich erträglich machen sollten. Und wenn ich jeweils sah, was da verschrieben wurde, war es mir schon nicht geheuer und ich fragte mich, wie das denn helfen könne. Da ich selbst viel Interesse in der Komplementärmedizin und alternativen Körpertherapie hatte, dem auch nachging, war ich immer skeptisch, ob die Medis wirklich förderlich waren, denn jedes Medi hat ja auch Nebenwirkungen. Diese Betrachtungen über Medis kamen natürlich erst später in meinem Leben, früher bemerkte ich nur, dass meine Mutter oft im Spital war, dass es ihr nie wirklich gut ging, dass sie oft geschwächt war und dass sie oft von der einzigen noch teilweise arbeitenden Niere lebensgefährlich bedroht wurde. Sie hat dem allem getrotzt und durchgehalten, wie schwer es auch war. Gegen Ende ihres Lebens übernahm mein Vater die Pflege, so dass sie zuhause bleiben konnte. In den letzten paar Monaten kamen beide praktisch nicht mehr für mehr als einige wenige Stunden aus der Wohnung raus, denn ihre Schwäche liess das nicht mehr zu. Es war berührend, seine liebende Sorge zu beobachten.
Vor wenigen Monaten sagte sie uns, sie merke, dass sie sich nicht mehr für das Tagesgeschehen interessiere, dass sie nicht mehr lese (eines ihrer Hobbies), dass ihr alles gleichgültig geworden ist. Damit gab sie uns das Zeichen, dass sie gehen will, dass es ihr reicht. Wir in der Familie hatten ihr bestägtigt, dass sie jederzeit gehen könne (sie fragte danach). Wie wenn sie fragen müsste und wir das beeinflussen könnten - obwohl natürlich schon bekannt ist, dass die bald Sterbenden den Termin schon noch etwas verschieben können, wenn ihnen irgendwas wichtig ist.
Es gingen nach ihrer Ansage noch ein paar wenige Monate ins Land. Die Dialyse, die sie seit knapp 10 Monaten begonnen hatte, weil die Ablagerungen und das Wasser im Körper einfach anders nicht mehr raus zu schaffen waren, konnte bei ihr die gewünschte Wirkung nie erbringen, weil der dazu nötige Blutdruck bei ihr nicht genug hoch war.
Wie auch immer, der Zustand des Körpers meiner Mutter hat sich innerhalb von 10 Tagen von gewohnt schlecht zum lebensunfähig gewandelt, so dass sie dann zwei Tage vor dem Tod die Zeichen zeigte, dass sich das Bewusstsein aus dem Körper zurückzieht. Sie hörte immer schlechter, war verwirrt, erkannte weder Mann noch meinen Bruder. In ihrer letzten Nacht schlief sie noch durch, mein Vater schaute nach ihr und dachte, sie würde noch bleiben. Er legte sich auch wieder etwas hin und als er nach einer weiteren halben Stunde nach ihr sah, lag sie bereits atemlos da. Wie die Ärtzin später feststellte, war das Ende weder schmerzvoll noch erstickend. Denn wenn jemand ersticke im Tod, dann liege der danach nicht ruhig da und man erkenne das Ersticken deshalb. Meine Mutter konnte also in ihren letzten Stunden einfach und ruhig gehen. Dies hatten wir alle für sie gewünscht, und es berührt und erfreut mich, dass ich dies von der Ärztin hören durfte.
Mein Vater hatte mich erst am Vorabend mit brüchiger Stimme darüber informiert, dass es ihr sehr schlecht gehe. Das hiess also, dass es zu Ende geht, das war mir sofort klar. Ich war zuletzt vor etwa 10 Tagen bei ihnen zu Besuch. Aber weder er noch ich dachten, dass sie bereits am sehr frühen Morgen gehen würde. Ich hatte daher auf den Vormittag meinen Besuch angesagt und hatte auch die Empfindung, dass ich sie noch lebend sehen würde, denn an sich wollte ich dabei sein, wenn sie geht. Ich wollte diesen Übergang mit eigenen Sinnen erfahren. Sie hat sich anders entschieden und ist sowohl mir als auch meinem Vater entwischt.
Als ich also am nächsten Morgen bei ihm ankam, kam er mir nur schweigend entgegen und wir umarmten uns und weinten einige Minuten lang. Als wir uns lösten und ich nach ihr sah, schien sie mir wie schon so oft zuvor gesehen ruhig schlafend unter der Decke zu liegen. Nur, das sich nichts mehr an ihr regte. Auch die eine Katze, die zuvor meistens neben ihr auf dem Bett lag, war nirgendwo zu sehen.
Und dann ging's los bei mir ... meine Mutter ist nicht mehr da, ihr Wesen, ihre Aura war nicht mehr spürbar - nicht dass ich Aurae sehen könnte, es war mir auch nie so klar bewusst, dass ein Mensch einen anderen nicht primär als Körper wahrnimmt, sondern als Ausstrahlung von Dingen, die man gar nicht sieht, die aber einen Körper immer umgeben. Meine tote Mutter sah nicht anders aus als ich sie in Erinnerung hatte von den letzten Tagen, aber das Leben war weg. Und das spürte ich, während ich sie wie schlafend liegen sah.
Etwas in mir erkannte jedoch sehr klar, dass alles, was meine Mutter bis auf die Materie ausmachte, weg war. Und das ist mir schon sehr eingefahren. Meine Mutter, die immer da war für mich als Wesen, auch da, wo mein Ich noch gar nicht entwickelt war, die ich als Kind spürte, die mich nährte, die mich beschützte, die mich lehrte, die mir die Möglichkeiten zur Entwicklung bot, die mir Bücher kaufte, wenn sie mir meine Fragen nicht mehr beantworten konnte, die mich tröstete, wenn ich Angst hatte, in den Kindergarten zu gehen, weil mich auf den Weg dorthin immer ein Nachbarskind verdrosch, die weise war im Umgang mit meinen und anderer Kinder Schwierigkeiten, die mit den schwer erziehbaren Kinder zu aller Verblüffung völlig problemlos umgehen konnte, die ich immer um einen Rat fragen konnte, die mich durch die Pubertät begleitete, meine ersten Verliebtheitsphasen noch vor mir erkannte und - das allerwichtigste - mich bedingunglos liebte, dieser Mensch ist nicht mehr.
Nie mehr höre ich ihre Stimme, merke, dass sie trotz körperlicher Gebrechen im Geist wach und präsent war, nie mehr kann ich mit ihr über ein Thema streiten, nie mehr zu viert jassen, nie mehr mit ihr im Garten sein, ihre Freude an der Natur zu spüren, mich auch nie mehr freuen, dass sie so warm und weise und dennoch auch störrisch und verbohrt war, dass sie im elterlichen Haus mit ihrer Art Ordnung, Sauberkeit, kreative Schönheit und Pflanzen in die Wohnung zauberte, dass sie mich mit ihrem geschwächten Körper umarmen wollte, obwohl ich fast 30cm grösser bin als sie. Nie mehr werden mich ihre hellblauen Augen anschauen und mich spüren lassen, dass ich ihr Sohn bin, dass sie mich von Grund auf kennt, dass sie meine Macken akzeptiert.
Die Absolutheit dieser Erkenntnis bringt mich auch jetzt beim Schreiben noch zum Heulen, obwohl ich von ihr in der Kapelle in langen Stunden Abschied nehmen konnte, bevor ich mich an den Computer setzte.
Wie auch immer. Als meine leblose Mutter noch daheim lag, kam trotz jahrelangem Bewusstseinstraining eine Mischung aus Mitleid, Enttäuschung, Selbstmitleid, undefinierbare, Schmerz, aber auch Freude, dass sie nun die materiellen Begrenzungen überwunden hat, dass es ihr nun sicher besser gehe, dass sie erlöst sei, auf. Dies alles schubweise, ausgelöst von meinen Gedanken. Dann war da auch Stille und Ruhe, doch sobald das Ich sich wieder meldete, kamen auch wieder Gedanken wie "Was wird nun sein?" und schon kamen auch die genannten Schübe wieder. Immer davon getragen, dass das alles nun vorbei ist.
All dies erlebte ich, als ich mit meinem Vater zusammen auf meinen Bruder und die Hausärztin wartete, die den Tod meiner Mutter bestätigen musste. Als wir dann zuschauten, wie sie das tat, wie sie diesen bekannten Körper untersuchte, wie sie ihn halten musste, weil da keine eigene Kraft mehr war, das war wiederum sehr aufwühlend. Ich ertappte mich, dass ich das aber auch zeitweise sehr gelassen mitansehen konnte, wenn ich wirklich genau hinsah und also in der Gegenwart blieb.
Danach gingen wir zu dritt auf die Gemeinde, um den Tod meiner Mutter anzumelden. Die Gemeindearbeiterin stiess einen ganzen Apparat an, Abholung, Sargwahl, Urnen- und Grabwahl, Grabbewirtschaftung, Aufbahrung, Pfarrer, Organist ... mir war, dass dies alles viel zu schnell ging, meine Mutter lebte 70 Jahre lang und stirbt, und dann muss der leblose Körper, ihr Tod, innert 3-4 Tagen "abgehandelt" sein.
Wir drei hatten uns doch noch ausbedingt, dass sie angezogen und aufgebahrt wird, damit wir in unserem Tempo von ihr Abschied nehmen konnten. Nach den administrativen Mühen gingen wir drei wieder etwas verblüfft ob der umfangreichen Abläufen nach Hause. Als ich dort reinkam, und den Blick wieder wie viele Male zuvor gewohnt ins Schlafzimmer warf, lag sie immer noch unter der Decke, immer noch so, wie ich sie schlafend oft gesehen hatte. Und wieder erschien mir alles unwirklich zu sein, obwohl ich mir voll bewusst war, dass sie tot ist.
Nachdem wir drei einige Dinge zum Begräbnis disktutierten, wer wann wieso benachrichtigt werden soll, wie Mutters letzte Wünsche diesbezüglich umgesetzt werden sollten, gab es vorderhand nichts mehr zu tun. Ich ging dann nochmals rein in ihr Schlafzimmer ... und ich sah ihren zierlichen, jetzt kärglichen Körper, ihr fahles, lebloses und immer noch vertrautes Gesicht, wie schlafend, aber doch unnatürlich. Ich wollte ihr gute Gedanken mitsenden. Da hatte ich die Empfindung, als ob über dem Bett eine lebensgrosse, gelblich strahlende Säule schwebe. Es erschien mir, dass dies die Essenz meiner Mutter war, und ich sandte ihr meine Gedanken, obwohl sie in meiner Vorstellung über das, was nach dem Tode kommt, mich natürlich schon noch wahrnehmen konnte. Aber ich halt sie nicht mehr, den Augen bot sich nur der leblose Körper, andere Sinne empfingen die Anwesenheit ihres Wesens.
Diese Wahrnehmung entsprach dem, was ich gelernt hatte und was ich auch gehofft hatte, wahrnehmen zu dürfen. Denn ich glaube, oder in meinem Falle wage ich zu sagen, ich weiss, dass es ein Leben ausserhalb der Materie gibt. Selbst wenn es nicht stimmt, ist es das, was mich in die Ruhe bringen kann, dass meine Mutter nicht einfach ausgelöscht ist. Dass ich ihr alles das noch sagen kann, was noch aus mir raus muss. Was ich aus welchen Gründen auch immer nie sagte, was ich vielleicht auch schon lange vergessen, unterdrückt, abgewiegelt, still mitleidend beobachtet hatte etc. Was ich einfach noch loslassen wollte oder eigentlich eher musste, egal, ob negativ, positiv, wichtig, belanglos.
An ihrem Todestag spürte ich für mich, dass ich mindestens eine Nacht brauche, um mich zu klären. Zu konfus waren meine Gedanken, meine Emotionen. Drum erbat ich mir auch die Aufbahrung. So konnte ich dann zu mir nach Hause fahren und meine Schübe weiterhin durchlassen. Es war mir klar, dass in diesen Schüben auch Emotionen hochkamen, die nicht vom aktuellen Erlebnis her stammen, sondern von all den ähnlich gelagerten Erlebnissen aus der Vergangenheit, wie Abschiede von anderen lieben Menschen, Exfreundinnen, lieben Freunden, die ins Ausland auswanderten, Beobachten von Verletzungen an anderen, z.B. in den TV-Nachrichten, die ja meist nur Negatives berichten, was natürlich immer einen Abdruck hinterlässt auf der Seele ... und je nach Weltanschaung, könnten da noch emotionale Altlasten aus anderen Leben und Realitäten auftauchen, oder auch einfach nur die Emotionen von anderen Menschen, deren Probleme wir übernommen haben.
Es ist ja nicht so, dass alles, was in mir resoniert, tatsächlich ein Problem von mir ist. Jeder hat wohl schon erlebt, dass er nach einer Einmischung in die Belange einer anderen Person plötzlich feststellte, dass er selbst sich um diese kümmert, statt die andere Person. Man könnte daraus lernen, dass man sich eben nicht einmisschen soll, ungefragt erst recht nicht. Es gibt natürlich auch Spezialisten, die einem ihre eigene die Verwantwortung auf subtile Art aufladen können. Die nutzen oft die menschliche Tugend der Hilfe, sie tarnen sich daher oft als Opfer, Verschmähte, Unfähige etc. Aber ich schweife ab. Zurück zu meinem Fall. Ich liess also all diese Emotionen einfach durchlaufen, so wie wenn ich einen Film im TV angeschaut hätte.
Ich ging dann also früh zu Bett und hatte für mich untypisch ziemlich kalt, obwohl ich die Wärmeentwicklung meiner Muskeln spürte und eigentlich unter der Decke warm hatte. Ich schlief wie üblich zügig und gut ein.
Am nächsten Tag fuhr ich wieder zum Vater und wir beide gingen Blumenarrangements aussuchen. Ich merkte dabei, dass ich durch die Nacht das Erlebnis schon gut integriert hatte, mein Vater bekam beim Bespechen der Arrangements schon schnell wieder eine brüchige Stimme, so wie ich sie vortags auch hatte.
Danach fuhr ich alleine zur Kappelle, wo meine Mutter zurecht gemacht aufgebahrt war. Im kühlen Raum sah ich denselben Gesichtsausdruck wie vortags, die Hände ineinander, mit einem schönen luftig lockeren Rüschenschal über einer Lieblingsbluse. Ich setzte mich hin und war eigentlich in derselben Situation wie vortags bei ihr zuhause. Wieder war ich alleine mit ihr. Meine Emotionen hatten sich etwas beruhigt, so dass ich klarer war. So konnte ich einfach ihr alles erzählen, was kam. Ich sortierte nicht, was kam. Ich fragte nur in mich hinein "Was soll/muss jetzt noch wirklich gesagt werden?".
Und schon kamen all die Szenen, wo irgendwas noch nicht eingeordnet, ungeklärt, emotional belastet war. Ich sagte alles frei heraus, auch das, wofür ich mich in der erinnerten Szene geschämt oder aus irgendwelchen Gründen nicht getraut hatte zu sagen. Auch meine Wahrnehmung, dass mein Lebensstil unbewusst mit ihr verkoppelt war, weil ich nie weit weg von ihr war bisher auf diesem Planeten - wie wenn wir uns auf eine undefinierbare Art blockiert hätten ... Ich erinnerte mich an Schönes, Missverständliches, mir an ihr Unerklärliches ... dabei gab es auch wieder Heulschübe, denn fast alles, was sich gestern schon bemerkbar machte, kam nochmals hoch. So sass ich bei ihrem Körper und quasselte, heulte, dankte, bereute, erklärte ... meinte, sie wie gestern noch wahrzunehmen, obwohl doch schon weniger präsent, eher wie eine zarte Nebelwolke, sie schien schon stärker gelöst zu sein aus dieser Ebene - bis sich eine gedankliche Ruhe, eine Stille in mir ausbreitete.
Und dann bat ich sie nur noch um das eine, das allerdings auch unter Tränen: Dass sie doch bitte ab und an bei mir vorbeischauen, sie mich ihre Präsenz, ihre Stärke, ihre Weisheit, ihre Wärme spüren lassen möge. Und nachdem ich auch das genug oft gesagt hatte, spürte ich wiederum die Stille einkehren in meinen Gedanken, es kam sogar die Empfindung in mir hoch, dass es nun doch endlich gut sei, dass der Abschied gelungen, vollzogen, alles Wichtige ausgesprochen sei. So konnte ich den Raum verlassen, ihren Körper in der Dunkelheit des Aufbahrungsraumes hinter mir lassen - wohlwissend, dass ich ihn nie mehr sehen werde.
Dies waren wohl die wichtigsten knappen zwei Stunden meines Lebens. Es heisst wohl aussöhnen, was ich da tat. Ich hatte die Empfindung, dass sie das eh alles wusste und mich nur noch liebevoll "abhörte", weil sie merkte, dass ich es um meines Seelenheils Willen tun musste. Ich weiss das auch, dass ich es tun musste. Denn auch in meinem System hätten meine Emotionen sie und mich noch irgendwie festgehalten, wenn ich noch den Drang gehabt hätte, ihr noch unbedingt was sagen zu müssen. Und das wollte ich auflösen, denn ich möchte, dass sie und ich die nächsten Schritte in unserer Entwicklung unbelastet von irgendwelchem Nachtragen meinerseits gehen kann.
Jetzt, wo ich all diese vielen Worte geschrieben habe, bemerkte ich auch eine grosse Ruhe, ab und an von kurzen Heulschüben durchbrochen, wenn es um meine persönlichen Herausforderungen ging. Diese kann ich nun angehen, ohne Rücksicht auf meine Mutter. Ich weiss nicht, ob ich sie nach meinem Tod irgendwie irgendwo treffen werde, wichtig ist, dass ich mich von ihr verabschieden konnte, so dass ich für den Rest meines Lebens gelassen "getrennt" von ihr sein kann.
Ich habe keine Ahnung, ob es sinnvoll war, diesen Text zu veröffentlichen. Wenn jemand irgendeinen Nutzen, einen Gedankenanstoss daraus ziehen konnte, so hat sich der Aufwand schon gelohnt.
Ich wünsche uns allen viel Gelassenheit, Heiterkeit und Achtsamkeit in unseren Leben.
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