Ja zum Bedingungslosen Grundeinkommen für Alle
Nun zur Realität: In einem Interview, das der Fürsorgebezüger Christian Sandmeier anlässlich eines Armutskongresses vor den gewichtigen Herrschaften der Politik gab, lieferte er Argumente aus dem Leben. Er schilderte die Zusammenhänge und Konsequenzketten, die sich aus einem nicht vorhandenen Einkommen ergeben. Er betont auch, dass die derzeitigen Unterstützungsmittel doch nicht gleichwertig wie ein Einkommen beurteilt würden. Ein Einkommen wird anders betrachtet als eine Fürsorgeleistung, weil halt immer mitschwinge, dass der Bezüger anderen auf der Tasche liege. Und das reicht vielen Leuten, sich über jene zu erheben. Das ist eine Stigmatisierung der Kapitalismus-Inkompatiblen. Und man komme da fast nicht raus, sagte er.
Seine Argumente sind alle nachvollziehbar, weil sie wohl jeder kennt, entweder durch Erleben, durch Beobachten oder durch Nachdenken – sofern er seine Augen davor nicht verschliesst.
Die Gegner, auch aus SP Reihen, haben nur eines drauf „Das geht nicht, da würde ja keiner mehr arbeiten" oder „Das ist zu teuer" oder „Wie haben genug Unterstützungsmittel (=diverse Renten) für Euch" oder „Geht in den Arbeitsprozess zurück" – ja wie denn, wenn jedes westliche Land mittlerweile eine Sockelarbeitslosigkeit als unabwendbar anerkennt? Dass viele dieser Gegenargumente falsch sind, sollte eigentlich nach etwas Nachdenken jedem klar werden. Einige Blickwinkel dazu später.
Der Unternehmer mit eigenem Einkommen, der Basler Daniel Hähni, möchte das bedingungslose Grundeinkommen für jeden auch einführen, weil es einfach eine intelligente und sinnvolle Lösung sei. Seit vier Jahren trage er sich mit dem Gedanken und daraus solle nun endlich eine Initiative im Kanton Basel entstehen. Die erwähnten Deutschen beziehen sich auf diese Idee und sie konnten sie sogar in einer Anhörung in Berlin vortragen. Doch auch dort mit Absagen der oben erähnten Art.
Hähnis Hauptargument: De facto haben wir ja schon ein „garantiertes Grundeinkommen", die Fürsorgeleistungen und Renten. Denn in der Schweiz, Deutschland und einigen anderen europäischen Staaten leben wir die Idee des Sozialstaates - und eine mehr oder weniger funktionierende Umsetzung dessen. Mit dem Grundeinkommen fielen diese natürlich alle weg. Die Rechnung sei also nicht unbezahlbar.
In der Schweiz zumindest gibt es soziale Auffangnetze, Renten jeglicher Art. „Bei uns müsse keiner verhungern" sagt man. Wenn einer also nicht mehr arbeiten kann/will/darf – aus welchen Gründen auch immer, behindert, ausgesteuert, zu alt fürs System, unbrauchbar vom System etc. – wird er im untersten Fallnetz doch noch irgendwie unterstützt, sofern er ein Bürger dieses Staates ist. Ob es zuviel zum Sterben, zuwenig zum Leben ist, darüber kann man ja streiten. In der Schweiz gelte einer als arm, wenn er mit weniger als CHF 2300 pro Monat auskommen muss. Hähni meint, in Deutschland könnte das Grundeinkommen so um die €1000 sein, in der Schweiz CHF 2500.
Ein solches Einkommen liesse die Ausgrenzung derer schwinden, die nicht in diesem System funktionieren können oder wollen. Damit sind wir wieder bei der Würde. Leute, die also nicht im anerkannten System mitmachen wollen oder können, sind derzeit Parias. Sie werden an den Rand gedrängt und mit kollektivem Schuldbewusstsein geimpft: „Ich bezahle für dich", ergo bin ich besser als du. Wer also von der allgemeinen Hand abhängig ist, wird komisch angeschaut, und erst recht, wenn man ihm den Grund seiner Unverträglichkeit mit dem System eventuell nicht mal ansieht. Ein Behinderter mit nur einem Arm und blind, klar, dass der halt seine Rente kriegen soll, geht jedem runter.
Sagt einer der Parias dann noch was gegen das vorherrschende Dogma, kriegt er genau diese Ausgrenzung, diese Herabsetzung zu hören. Die kollektive Sippenhaft der Unfähigen. Wie in Deutschland, wo man diesen Mechanismus ja sogar noch nach 65 Jahren Kriegsende beobachten kann. „Ihr wart die Bösen und ihr bleibt die Bösen, duckt euch, kuscht." Da macht sogar der Staat mit, indem er Gesetze vorhält, die den Dampf immer noch unter Druck halten – statt ihn einfach verpuffen zu lassen. Zum Glück wandelt sich das etwas.
Und wieder zurück zum Thema: Leute, die also abhängig sind, wissen das. Haben sie nicht eine etwas umfassendere Sicht dazu, kann man mit ihnen wie erwähnt umgehen. Sie ziehen sich den Schuh an und sind damit Manövriermasse. Konsequenzen: Minderwertigkeit, diverse physische und psychische Krankheiten (die man derzeit ja zu haben belegen muss, um ind er Schweiz eine Rente zu bekommen), schlechte Stimmung, Isolation, Anfälligkeit für einfache „Lösungen" wie Rassismus, religiösen Fanatismus, Fundamentalismus, TV-Verblödung, Gleichgültigkeit anderen gegenüber, Empathieverlust für die Gemeinschaft, Ausschreitungen nach dem Fussballmatch, etc. etc.
Da der Staat solche Leute ja nicht beseitigen kann, muss er die von ihnen mittelbar erzeugten Kosten ja auch tragen in Form von Renten, Polizeieinsätzen, Auffangstellen, Hilfsorganisationen, Betreuungen, Krankenkassenverbilligungen, Ergänzungsleistungen etc.
Mal unbesehen davon, wieviele Leute freiwillig anderen helfen, was den Staat nichts kostet, bleibt an ihm doch einiges hängen. Bei uns nach der 1. Mai Demo in Zürich stellt sich immer die Frage, wer muss den ganzen Polizeieinsatz bezahlen. Dito nach gewissen Fussballspielen. Könnten solche Dinge nicht auch eine Folge dessen sein, dass die Leute ihren Dampfkessel einfach irgendwo entleeren müssen? Ich habe an mir ja auch schon bemerkt, dass ich früher neidisch, angewidert, wütend und was auch immer war auf Exemplare von Menschen, die die Kohle hintenrein geschoben bekommen, derweil ich auch mal „arm" war, aber natürlich keine Unterstützung erhielt, da ich keine Qualifikationen zum Sozialfall erfülle. Ärger bis Wut auf das System und seine Lücken, die kenne ich an mir selbst. Eine Exfreundin ist eine IV-Renterin, der man den Grund ihrer Rente nicht ansieht oder anmerkt. Weder physisch noch zunächst geistig.
Wieso baut sich denn so ein Dampfdruck überhaupt auf? In mir? Das ist genau die Frage, um die es geht. Und weil sich die im System geschmiert (...) funktionierenden Leute wohl noch nie überlegt haben, wieso es denn Unverträgliche gibt, kommen wohl Aussagen zustande wie „Klappt nicht, da würde ja keiner mehr arbeiten". Vielleicht schreibe ich diesen Artikel auch nur, weil ich mir eben diese Frage an mich selbst stellen musste: Woher stammte mein Unvermögen, damit umgehen zu können, dass der Staat der die Kohle gibt, mir – damals auch armen – jedoch keine?
Stellen wir uns doch mal jeder für sich die wichtigeren paar Fragen als „Wieviele Kohle kann ich wofür verdienen". Eine könnte ja sein: „Was würde ich wirklich am liebsten tun, wenn ich nicht der Sklave des Systems wäre und meine körperlichen Grundbedürfnisse abgedeckt wären?" Sagt einer „nichts", dann glaub ich ihm das nicht. Es mag schon sein, dass man mal einige Zeit wirklich nichts machen will. Dabei bedeutet „nichts" da dennoch für einen Körper Schlafen, Essen, 24 Stunden durchhalten. Keiner kann länger als ein paar Tage wirklich nur schlafen. Da hat er dann seine 60 Erwachsenenjahre, und die durchzuhalten mit Nichtstun? Das gibt es nicht. Jeder will etwas Sinnvolles tun im Leben – früher oder später. Und wenn er das endlich tut, wie fühlt er sich dann wohl? Genau, integriert, zufrieden bis glücklich, bestätigt, gleichwertig wie die anderen, freundlich, einfühlsam. Also genau so, wie wir ja alle sein sollten im derzeit vorherrschenden System.
Es darf doch auch klar sein, dass wir diesen Zustand der Körpererhaltung schon lange haben! Denjenigen der Sicherung der körperlichen Grundbedürfnisse – nur merken wir's nicht selbst, sondern erleben die oben erwähnten Auswirkungen. Somit bekämpfen wir die Konsequenzen dessen, was wir alle so sehr wollen: Die Idee, dass alle im Staat aufgehoben sind, dass sie etwas Sinnvolles tun dürfen, dass sie sich verwirklichen können, eben, dass sie mit Würde leben können. Wieso sind wir dann nicht alle glücklich mit dem System?
Natürlich, der Staat ist gebildet aus den Menschen, die die Strukturen aus ihren dannzumal gültigen Lebensumständen ersonnen, aufbauten, bewarten. Alles schon lange her, alle tot. So war es, so soll es bleiben. Es kann aber nicht so bleiben, denn die Erstarrung ist widernatürlich. So fehlt auch manch Funktionierendem die Einsicht, dass wir keine Produktionsgesellschaft mehr sind, dass die körperlichen Bedürfnisse gedeckt sind. Aber nicht die seelischen. Wenn wir also nicht mehr nur mehr produzieren müssen, um die Körper zu erhalten, wie soll der Leitbild einer industrialisierten Nation denn leuchten? Wie wird man einem Menschen von heute gerecht? Im Schnitt geben wir für die Nahrungsmittel ja die wenigsten Prozente unseres Einkommes weg seit es Geld gibt. Wir sind schon lange eine Freizeitgesellschaft.
Diese Fragen stellten sich Leute der Vorgeneration ja nicht so, die hatten noch den Krieg in der Jugend. Deshalb kommt es zu den Midlife-Krisen, die ja immer Sinnfragen sind: „Mache ich das, was ich wirklich möchte, oder halte ich nur durch bis zur Rente mit Zeug, das mir schon lange leid geworden ist?" Die vielgescholtenen, abzockenden Exemplare der Managergilde kümmert das eben nicht, weil sie (kaltschnäuziger-, schlauerweise?) in diesem kapitalistischen System dafür gesorgt haben, dass sie möglichst nie auf die Schattenseiten dieses Systems fallen. Dito die Politiker, Gesundheitssystem-Designer etc. etc. Die Leute, die das Sagen im Staat haben, sind nicht die, für die der Staat im Sinne des Grundgesetzes würdig sorgen soll. Kein Wunder, ändert sich der Staat auch fast nicht in diesem Sinne. Im Gegenteil, er „bringt einen um", raubt einem die Lust am Leben. Siehe Gesetzesflut, Regularien, Steuern. Müssten alle Politiker mal mit nur CHF 4000.- auskommen, mann, da wäre sicher schnell was gefunden gegen die explodierenden Krankenkassenprämien.
Der langen Rede kurzer Sinn: Wie sähe es aus, wenn jeder Erwachsene in der Schweiz ein bedingungslose Grundeinkommen von sagen wir mal CHF 2500.- erhielte? Damit kann man hier durchaus leben, grosse Würfe natürlich nicht eingeschlossen. Ferien mit der Familie mit dem A380 liegen damit nicht drin. DAFÜR wird der Bürger dann arbeiten WOLLEN, wenn ihm sowas wünschenswert erscheinen könnte. Es wäre also wohl nie so, dass man nicht mehr arbeiten würde. Im Gegenteil: Man könnte sogar von dem leben, was man heute als Freiwilligenarbeit abtut – und von dem wir alle wissen, dass ohne sie der Staat sowieso zusammenbräche.
Wem's am Herzen läge, sich für die Natur einzusetzen, der könnte Wald oder Landschaft-Reiniger werden – und könnte davon leben. Diejenigen, die für andere den Dreck aufräumen müssen oder wollen – könnten davon leben. Diejenigen, die sich gerne um Kinder, Jugendliche, Alte, Behinderte, Kranke, Randständige kümmern – könnten davon leben. Künstler hätten die Freiheit, Werke ohne Hintergedanken zum möglichen kommerziellen Erfolg zu schöpfen – und könnten davon leben. Reisende und Wissenschaftler könnten ihre Neugier stillen – und könnten davon leben. Philosophen und Tagträumer hätten die Zeit für ihre Erkenntnisse und deren Weitergabe – und könnten davon leben.
Auch Kriminielle, Betrüger, Bauernfänger und andere Egoisten hätten natürlich diese Möglichkeiten. Doch hätten diese denn überhaupt noch eine Motivation, so zu sein? Und selbst dann: Wer ginge einem Betrüger dennoch auf den Leim? Auch dies würde es zwar sicher noch geben, weil die Gier nicht auszumerzen ist.
Mit „davon leben" meine ich: Jeder Mensch könnte sich seiner aktuellen Herzensangelegenheit widmen, ohne sich dafür bei irgendwem rechtfertigen zu müssen. Im Gegenteil: Er gewänne wohl die Einsicht, dass alle Aufgaben einer Gemeinschaft sehr wohl erledigt werden können, denn es gibt soviele Menschen mit verschiedensten Interessen und Neigungen. Und möglicherweise gestünde er aus Einsicht einigen auch zu, dass sie für diese oder jene Arbeit mehr Lohn erhalten sollten.
Ich bin sicher, es würden alle heute ungeliebten Arbeiten weiterhin erledigt, denn irgendwo gäbe es einen, der das macht – wieso auch immer. Und erst dann, wenn sich wirklich niemand fände zur Reinigung eines Klärbeckens, dann kann der Staat diejeingen einfangen, deren Herzensangelegenheit es ist, möglichst viel zu verdienen. Lapidar also: Mit mehr Lohn. Die Stigmatisierung wäre weg, das Ansehen des Geldes per se wäre weg. Keine Existenzängste mehr bei den Unteren, sondern möglicherweise echte und freundliche Anerkennung desjenigen, der halt mehr verdienen will, weil er nur so seine Vorstellungen realisieren kann. Denn wenn die Banker wieder mit Boni den Hintern geschwischt bekommen wie vor der Krise, wieso ärgert das denn? Aus Neid wohl. Oder der Ohnmacht, dass dieses System nur bestimmte Lebensformen unterstützt? Was sagen die unter Euch, die niemals Banker sein könnten, ärgert Ihr Euch darüber und wieso?
Wer bisher gelesen hat, könnte mir vorwerfen, dass sei utopisch. Das ist ja auch verständlich, denn es braucht schon mehr Geistesfreiheit, sich solche Gedanken mal durchlaufen zu lassen, statt sie zu blocken. Denn: In den Sozialstaaten Europas haben wohl die Meisten diese „Utopie" erlebt: Als Kind. War da die Welt nicht einfach? Wie schön war sie, wie unbefangen das Leben beim Herumtollen, egal wo, egal mit wem? Die etwas grössere Gemeinschaft, die Eltern, sorgten für einen. Teils mit dem Nötigsten, teil mit viel oder gar zuviel. Wieso schaffen wir es eigentlich nicht, dass unsere nächst grössere Gemeinschaft, der Staat, das nicht auch schafft für uns Erwachsene? Er darf ruhig kapitalistisch weiterfunktionieren, mit vielen Regeln, Gesetzen, aber er soll nicht nur EINE Art von Erwachsenen fördern, sondern alle. Können tut er das schon.
Einige Regeln kämen hinzu, die kapitalistische Auswüchse beschränken müssten, denn Reiche und Unersättliche wird es immer geben, auch die dadurch entstehenden Seilschaften, aber sie wären wohl nicht mehr so allmächtig wie heute. Eine Limite müsste ganz sicher sein, dass alle Auswirkungen negativer Art des privatwirtschaftlichen, geldmotivierten Tuns auf den Staat von den Privaten auch behoben werden müssten. Ohne Ausnahme. Klingt sicher hart, aber es wäre wohl die richtige Regel, um die Haftung für jeden klarzustellen, der Wagnisse begeht. Fluch und Segen zugleich. Klar deklarierte Freiheiten und Grenzen. Und natürlich hoffentlich ein Staat, der konsequent bleibt.
Denn wie gesagt: „Was würdest Du tun, wenn Deine physischen Grundbedürfnisse gedeckt sind?". „Musst Du da noch Statussymbole haben? Musst Du Dich einem anderen überlegen fühlen? Musst Du immer noch werten können über geldwerte und andere Arbeiten, Lebensmodelle? Musst Du andere übervorteilen?".
Und wären die Seilschaften doch noch stark, könnten weniger Bemittelte sich doch gegen sie vor Gericht wehren, selbst wenn es immer noch viel Aufwand kostete: sie hätten ja die Sicherheit des Grundeinkommens. Heute kann man das wohl oft nicht, weil es einen einfach ruinierte. Auch etwas, was den Dampfdruck erhöht.
All dies weiss Daniel Hähni. Drum zum Schluss wieder seine Aufforderung: Ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle für ein würdiges Leben. Mein Ja hat er.
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