Mobilitätsverteuerung ist reinste Symptombekämpfung und schont die Arbeitgeber

5.4 Millionen Motorfahrzeuge, davon 4.1 Millionen Autos habe es in der 8-Millionen-köpfigen Schweiz. Wenn man Kinder und Alte abzählt, also pro Erwachsenen etwa schon ein Auto. Zuviele hiess es heute, man müsse etwas dagegen machen. Klar, finde ich auch, aber wie lächerlich erscheinen die dafür genannten Hilfsmittel?

Pendeln verteuern, auch für die Bahnkunden. Doris Leuthard meinte, dass man das Pendeln durch die halbe Schweiz nicht mehr steuerlich fördern wolle. Und heute, ein Kopf der Mobilitätsfetischisten: "Das zeige doch, dass wir mobil und agil sind. Das sei ein Zeichen von Wohlstand und das sei doch gut."

Man kann es allerdings auch ganz anders sehen: Die Masse der Arbeitnehmer wird auf der Zitronenpresse noch mehr ausgequetscht. Denn, es gehört ja dazu, für einen modernen Arbeitnehmer, dass er der Willkür der Arbeitgeber ausgeliefert ist, äh, soll natürlich heissen, dass er selbstbewussterweise mobil ist und moden.

Wie wenn es modern wäre, seine Lebenszeit neben der Arbeit auf dem Arbeitsweg verdunsten zu lassen.

Als ich ins Erwerbsleben eintrat, stellte ich schon fest, dass es den Arbeitgebern völlig normal vorkommt, ihre Arbeitnehmer antanzen zu lassen, ja, es ist Bedingung.

Es ist klar, dass dies für viele Berufe stimmt, da die Resourcen, die Gegebenheiten zur Job-Ausführung in Form von Infrastruktur oder Arbeitsobjekten halt nur an einem Ort sind. Ein Sägewerk muss seine Leute ja dort beschäftigen, wo die Bäume hingebracht werden können, früher also an Flussläufen oder anderen Gewässern. Gleichwohl für Bergbauarbeiten ... diese Liste ist fast endlos erweiterbar. Der Arbeitnehmer muss also dorthin, wo die Arbeit ist. Das ist das Kredo der modernen Globalisierung.

Doch: In der Schweiz, die mehrheitlich keine solchen Resourcenzentren kennt, ist das nicht notwendigerweise auch der Fall.

Wie kann man also auf die hirnverbrannte Idee kommen, die von der Wirtschaft de facto erzwungene Mobilität zu bekämpfen, indem man sie teurer macht? Es geht hier nicht darum, ob Mobilität generell zu billig ist, sondern es geht darum, dass dieser Kampf die Arbeitnehmer trifft, nicht die Arbeitgeber.

Denn was wir wirklich brauchen, ist eine Loslassen der Idee, dass man – und erst noch alle zur gleichen Zeit am Tag – in Massen zur Arbeit hasten muss. Die Wirtschaft muss endlich lernen, geeignete Arbeiten dezentral ausführen zu lassen – von den eigenen Mitarbeitern. Redaktionen, Verlage, Banken, fast alle schweizerischen Wertschöpfer brauchen nicht alle Leute in machtdemonstrierenden Türmen wie dem Üetlihof in Zürch einzupferchen. Dorthin gehen täglich knapp 15'000 Leute zur Arbeit. Ein Dorf in einen Bankenturm, der fast zur Hälfte erst noch unterirdisch ist. Jeden Tag, jeden Tag Tausende Autos, viele Abgase, viel Stress, viel Stau, viel Trennung von Kindern, die man irgendwo „aufbewahren" muss? Und wenn die Arbeit wegzieht, muss man ihr folgen, mögliche Entwurzelung sozialer Art inklusive. Und wozu all dies?

Die Technik hat es an sich schon längst möglich gemacht, dass man im sogenannten Home Office arbeiten könnte. Selbst Konferenzen sind nicht mehr nur akustisch, sondern, wenn's denn sein muss, auch visuell über lange Distanzen so durchführbar, wie wenn alle an einem Tisch sässen. Unmittelbarkeit in Äusserungen und Gestik der Teilnehmer genauso gut beobachtbar wie wenn man real zusammen sässe.

Wenn man also wirklich die Mobilitätseffekte bekämpfen will, muss man die Arbeitswelt aufräumen, modernisieren, neue Ideen einbringen bzw. alte Ideen endlich mal umsetzen. Denn wer will sich schon an jedem Tag der Woche diesem Trott wirklich freiwillig unterwerfen? Wäre es eventuell erfreulicher und entspannter, wenn man nur noch 2-3 mal pro Woche zur Arbeit fahren muss? Wird das das Meeting mit den Teamkollegen nicht sogar herzlich, heiter, denn jetzt gibt es ein gesundes Mass von Abstand und Nähe. Erträgt man den ungeliebten Mitarbeiter in der Zeit sogar erstaunlicherweise gut – weil man weiss, dass man ihn nicht die ganze Woche an der Backe hat? Freut man sich nicht eventuell sogar sehr, das andere Teammitglied endlich wieder zu sehen, weil ein persönlicher Kontakt mit ihm so befruchtend und kurzweilig erscheint?

Gerade die Schweiz hätte meines Erachtens beste Voraussetzungen, dies umzusetzen. Dann wäre der Leuthard geholfen. Und damit der Natur, der Volksgesundheit, der allgemeinen Lebensklima. Ob aber gerade sie als Sprachrohr der Wirtschaft solche Ideen wirklich verfolgen will, ich glaube nicht daran.

DAS bekämpft den Stau, den Naturverschleiss in Form von Strassen, Bahntrassees und Zufahrtsschneisen. Alles andere ist Augenwischerei.

PS: In diesem Zusammenhang: Ich suche genau so eine Arbeitsmöglichkeit, 60% Teilzeit vor Ort, eventuell bis zu 100% mit Home Office. Wer also etwas wüsste, den bitte ich herzlich, mir davon Kenntnis zu geben.

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