Gedanken zur 1:12 Initiative

Sie wird also langsam ernstgenommen - von den Wirtschaftsverbänden. Interessant. Gemäss anerkannter Studien betreffe das Übersteigen des 12x-Faktors nur ganz wenige Firmen. Ich glaube, es heisst, dass es 95% aller Firmen gar nicht betreffe.

Also, wieso soviel des Aufhebens um die 5%? So ein Trara wegen denen? Ist das nicht Verhältnisblödsinn? Nun, bekannterweise beginnt alles im Kleinen. Siehe das genetische Programm, das jede Ei-Sperma-Verschmelzung zu einem billionenfachen Zellmasse werden lässt, die sich dann Mensch nennt - oder auch Tier, ist ja egal.

Das Konzept der Vergrösserung ist also inhärent in gewissen Prozessen. Mit der 1:12 Initiative diskutieren wir also wiedermal den generischen Spruch "Wehret den Anfängen". Und zwar, weil man die Auswüchse solcher Anfänge ja bereits erlebt hat. Wir in der Schweiz sagen ja, dass wir 10 Jahre hinter den USA nachhinken - worin auch immer. Was die USA als Erzkapitalist vorführte, ist bereits erlebte Vergangenheit. Was die Wirtschaft auch hierzulande vorführt, ist erlebte Vergangenheit.

Wie sind die entstanden? Gier, Macht, die üblichen Verdächtigen. Die 1:12 Initiative will nun - aus all diesen Erfahrungen und wohl eingedenk der menschlichen Schwächen - dafür sorgen, dass es eine sozial abgesegnete Einigung auf eine bandbreite von 1:12 geben soll. Eben grad weil mensch sich kennt: Nur Wenige sind gefeit davor, dem Geld oder Macht-Dämon nachzugeben, sollte er sich ihnen andienen.

Realpolitik, denn sie kennen sich und sie wissen auch, was besser für die Gesellschaft - also für alle statt für wenige - ist: Wenn man schon die menschlichen Schwächen nicht auflösen kann, dann sorgen wir als Staat wenigestens dafür, dass dies nicht ausufert.

Soviel ich noch weiss, hatte die Schweiz einen Vertrag zum sog. Sozialfrieden, der Arbeitgeber und -nehmer derart verband, dass auf Streik etc. verzichtet wurde. Dies galt doch als Erfolgskonstruktion im frühen letzten Jahrhundert. Da haben sich also zwei in den extremen Polen wohl gegensätzliche Ansichten zusammengerauft, um einen Weg in eine kooperative Zukunft zu bahnen, Leitplanken zu stecken, die von beiden akzeptiert werden. Das war also so und das sei ein Schlüssel zum Erfolg der Schweiz gewesen - denn die Schweiz war ja schliesslich auch mal sehr arm, ein Emigrantenland. Jetzt ist sie reich, ein Immigrantenland. Woher's wohl kommt.

So, unter diesen Betrachtungen ist es da nicht sinnvoll, dem Kleinen, eben den 5% überbordenden Abzockerkonstrukten, eine Schranke in den Weg zu stellen? Damit es diese erlebten Auswüchse nicht geben soll? Denn es darf klar sein, solche Prozesse beeinflussen ja auch die Wertewelt der nächsten Generationen. Und wozu das führt, das zeigen ja die USA, die Wall-Street, London, die UBS etc.

Die Schweizer gelten als Konsensvolk. Oftmals auch als Volk derer, die einen herausragenden Kopf mit der Sense schnell mal kürzen. Schillernde Personen haben's bei uns schwer, so das Klischee und einige schnell aufzählbare Beispiele.

Es passt doch also zu uns, zu unserer Geschichte, dass wir die Bandbreite vorgeben wollen. Was ist daran denn zuwenig, wenn ein Chef also CHF 60'000 pro Monat verdienen darf, wenn sein geringster Mitarbeiter CHF 5'000.- verdient? Kann man davon nicht gut leben? Solche Saläre haben wohl auch nicht grad Firmengründer, -inhaber, sondern solche, die börsenkotiert sind. Und da sind selten noch die Gründer dabei, sondern nur noch höchstbezahlte ANGESTELLTE, also Manager. Diese haften für die Firma nie, deshalb sind sie ja nichts als Angestellte.

Wieso also soll ein Angestellter mehr als 60'000 monatlich absahnen? Ist seine Arbeit in irgendeiner Weise 12x mehr Wert als die des Geringsten? Ist so ein Manager nicht einfach nur dort, weil es die Rolle eines Führers in einem grossen Organismus wie einer Firma halt braucht - und nicht, weil er eine spezielle Magie besitzt? Und wenn dem Big Boss was zuwenig ist, dann kann er ja den Lohn des Geringsten halt anheben, es ist ja nur eine Relation. Man könnte genau hier böswilligerweise Ablehnungen der Initiative so auslegen, als ob die Abzocker nicht nur viel für sich wollen, sondern auch anderen nichts gönnen. Denn wenn einer ums Verrecken 1'200'000 verdienen will, dann muss er ja nur dem Geringsten 100'000 auszahlen. So hat er seine Kiste und macht andere erst noch glücklich(er). Wenn dann halt die gesamte Lohnsumme das fürs Unternehmen verträgliche Mass übersteigt, tja, dann müsste er ja auch soviel Einsicht haben, dass auch sein Lohn halt gesenkt werden muss, um mit allen zusammen unters Lohnsummendach zu passen.

Kann das Gehirn ohne das Arschloch überleben? Es gibt ja da diesen netten Vergleich, wo die einzelnen Organe im Körper Chef sein wollten. Otto Walkes brachte den, soviel ich weiss. Fazit: Als man dem Arschloch seine Rolle als Chef nicht geben wollte, schmollte jenes und verschloss sich. Daraufhin wurde alle anderen Organe diesig, bekamen Kopfschmerzen ... bis sie erkannten, dass auch das Arschloch an sich Chef sein könnte. Ergo, dass es auf alle ankommt, nicht auf irgendeinen ausserirdischen Superhelden. Superman musste wohl sicher auch aufs Klo ...

Welches Wertesystem soll also die geldmässige Verhältnismässigkeit von Aufgaben beurteilen? Das Wertesystem, das private Ziele favorisiert, hat ja nichts mit Respekt und Wertschätzung für andere Menschen - nota bene also dem Volk, dem Staat - zu tun, sondern mit Egoismus.

In den USA gibt's ja die Story vom Tellerwäscher. Es gibt solche Karrieren, dort und überall auf der Welt. Nur in den USA gibt es die Gehirnwäsche, dass selbst unterste Schichten deren System gut finden, weil sie sich sagen: "Ich habe nur noch nicht genug schwer gearbeitet um selbst reich zu werden". Der Glaube, dass einer alleine etwas erreichen kann, ist dort wohl so stark indoktriniert, dass natürlich dann auch ein egoistisches Gedankengut rauskommt, sollte man es geschafft haben. Eigenverantwortung ist ja schon löblich, doch wie gesagt ... Gehirn versus Arschloch ... man könnte ja auch sagen, einer der aufsteigt und reich werden will, braucht ja auch welche, die ihm Kohle und Macht geben ... weniger neutral gesagt, er braucht welche, auf deren Kosten er sich bereichern kann.

Zudem: Richtig reich wird man ohnehin nicht durch Arbeit und Lohn, sondern durch Multiplikatoren wie Aktien, Masse, andere Anteilschaften, Ausbeutung vorhandener Resourcen, Monopole. Bill Gates, Mark Zuckerberg, Larry Page, Ingvar Kamprad, die Ölscheichs sind Beispiele solchen enormen Reichtums.

Ich gönne mittlerweile jedem seinen guten Lohn - auch dann, wenn ich ihn mir nicht erklären kann. Weil ich seit Jahren weiss, was MIR wichtig ist. Was ich aber im Interesse eines künftigen, friedlichen Zusammenlebens aller noch mehr sehen möchte, ist, dass keiner über die Massen auf andere hässig oder neidisch sein muss - egal, ob berechtigt oder nicht. Denn wie gesagt, Animositäten beginnen im Kleinen, schwelen dahin, flackern auf und werden zu Weltbränden wie Weltkriege.

Ich persönlich bin also für diese 1:12 Initative. Weil ich das Wohl aller über mein eigenes stellen kann.

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Alexander's Gravatar Ich lehne die 1:12 Initiative ab weil sie ein unnötiger staatlicher Eingriff in die Privatwirtschaft ist und Arbeitsplätze gefährdet. Gerade jene Unternehmen, die von der Initiative betroffen sind, können ihren Hauptsitz ganz einfach ins Ausland verlagern und damit gutbezahlte Arbeitsplätze in der Schweiz abbauen.
# Erfasst von Alexander | 31.10.13 13:25
Martin's Gravatar Hi Akexander

Gestern kam im TeleZüri der Bundesrat Ammann und erklärte auch sein Dagegensein. Bisher ist es auch ihm noch nicht gelungen, mir einen einzigen, zwingenden Kausalbezug aufzudecken, der seine und Deine Behauptung auf logische Art begründet.

Es ist klar, dass die Multis wechseln können. Doch die optimieren ihre Firmengewinne eh schon und sind gerade deshalb in der CH. Die sind nicht aus reinem Altruismus hier, um ihren Angestellten gute Löhne zahlen zu können, denn das können sie ja eben überall. Die sind hier, weil die CH gute Rahmenbedingungen für Firmen bietet. Die 1:12 betrifft ja nur Löhne, nicht das ganze Drumherum. Diese Firmen sind sogar hier, obwohl sie zur Steueroptimierung eh noch diverse Offshore-Tricks anwenden.

Wieso wohl gibt es Briefkastenfirmen auf den Exoteninseln? Oder in Delaware USA, wo in einem Haus Tausende von Firmen residieren? Die Grossen Steuerabflüsse gehen also eh schon an der CH vorbei. Bleiben noch die hiesig ansässigen Managers: Auch die können umziehen. Ok, sollen sie doch gehen, sollen sie Plätze in der Welt finden, wo sie ihren unverschämten Lohn verprassen können - und wo sie vor allem leben wollen. Offenbar bietet die Schweiz Werte, die sich mit reinem Geld alleine weder aufwiegen noch beschaffen lassen. Und die das schätzen, werden hier bleiben.

Also, mir fehlt immer noch der rationale Beleg für das Gespenst vom Arbeitsplatzverlust ... your turn.
# Erfasst von Martin | 31.10.13 14:24
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