Schawinksi entwürdigte sich und zog gegen Thiel den kürzeren
Wow, selten so gestaunt, dass Roger Schawinski so ins Schnaufen kommt. Egal, ob er Showmaster ist, gestern Montag hat er sich unprofessionell erhitzt und damit eine Diskussion, auf die ich schon gespannt war, total in die Tonne getreten und sich als sehr unsouveräner Interviewer, oder besser, Beschimpfer und Verunglimpfer dargestellt. Denn eigentlich hätte es sehr spannend werden können, wenn zwei sehr intelligente Leute argumentativ aneinander geraten.
Thiel hatte wohl recht, dass Schawinski die Mehrzeit der Zeit quatschte. Es hat ihn wohl erwischt ... so holen einen Emotionen ein, auch wenn sie vielleicht nicht einmal aus eigenem Leben stammen. Wieso er diese Sendung dennoch so ausstrahlen liess ... nun ja, the show must go on ...
Es war fast unerträglich mitanzuhören, wie Schawinski an Souverenität verlor. Wie er Thiel keinerlei Ausführungen zugestand, fällt ihm dauernd ins Wort, beleidigt ihn mit Sätzen "ich habe noch ein paar Bücher mehr gelesen als du überhaupt kennst".
Es ist schade, dass er nichts aus der Affiche machte. Der die Sendung üblicherweise beendende Handshake kam dann auch von Thiel, nicht von Schawinski. Gut, es ist TV und man weiss nie, was da gespielt wurde. Aber eben, man achte auf die Atemfrequenz von Schawinski und ziehe seine Schlüsse daraus.
Ich hatte mich beim Thiel auch gefragt, was seine Absicht ist, diesen Koran-Artikel zu schreiben. Schawinski hatte einige Fragen ja schon richtig vorbereitet, denn ich fragte mich auch, ob es Thiels Absicht ist, Emotionen zu schüren, Extremisten noch mehr Pulver zu geben, oder Eskalationen wissentlich in Kauf zu nehmen ... diese Frage ist bei mir immer noch offen.
Nun, wenn ein Selbstmordattentäter nun halt den Thiel in die Luft jagt, weiss der wenigstens, dass er es provoziert hat. Andere mögliche Opfer sind involviert, ohne dass sie von irgendwelchen Dingen wussten oder sich äusserten. Wie auch an diesem Tag, zwei Geiseln in einem Restaurant in Sydney. Attentäter ein sich religiös gebender Selbstmörder. Kann man da verbal einheizen, ist das klug?
Anstatt dass Schawinski Thiel ausreichend Zeit gab, seine Argumentationslinie aufzubauen und zu erklären und Thiel sich damit ev. selbst entlarven zu lassen, bot er ihm die Möglichkeit zu zeigen, dass Religionsfanatiker genau so sind, wie Thiel sie anprangerte: Sie lassen sich nicht auf sachliche Diskussionen ein. Genauso wie Schawinski in diesem Fall.
Nun ist es ja seine Show, zieht er einen Schuh voll Dreck raus oder will er unflätig werden, ist das seine Sache - sein Ruf leidet gegebenenfalls. Ich fand es schade. Denn klar, Schawinski ist ein Jude und daher vorbelastet, aber dann lädt man sich keinen Andreas Thiel ein, wenn man wohl schon im Vorfeld merkt, dass das Thema einen über Gebühr erhitzen könnte. Denn dann kann man gegen Thiel wohl nur verlieren.
So war 1. für mich der Gehalt dieser Show gleich 0 und 2. Thiel der klare "Sieger". Obwohl es ja kein argumentatives Gefecht war, sondern ein Darstellen von uralten und massiven Emotionen. Thiel schürte sie, Schawinski fiel drauf rein. Punkt. Hätte ich echt nicht gedacht, dass man so ein altes Medienschlachtross noch zu einem verbalen Amoklauf aufstacheln kann. Dass Schawinski emotional wurde, ist ja kein Probelm, aber das Auslassen an Thiel, das ist eines.
Nun denn. Ich hatte zuvor auch schon gedacht, ich würde Thiel fragen, ob es denn in der Bibel nicht auch Stellen martialischen Inhalts gäbe, die, wenn kontextfrei zitiert, eine grausame christliche Religion darstellten. Dass das alte Testament auch für mich nichts mit dem neuen Testament, nota bene mit der wörtlichen Herkunft des Christentums zu tun hat, ist mir schon im Gymnasium im Religionsunterricht bei Hr. Cabalzar aufgefallen. Auch für mich hatten die beiden Testamente nichts miteinandern zu tun - nur schon in der damaligen Lesung, wo ich noch nicht einmal interessiert war, etwas über die Autoren und Beweggründe zur Erzeugung der Bibel wissen zu wollen - das kam dann bei mir erst später.
Auf diesen Punkt, dass Thiel öfters anhob, dass die Leute in den verschiedenen Religionen an einen guten Gott glauben, dass er also womöglich einfach diese Unverträglichkeit darstellen wollte, liess Schawinski ihn gar nicht kommen.
Ich persönlich denke, dass dort genau das zu finden wäre, worauf Thiel rauswollte. Er möchte ja nach eigenem Bekunden die Diskussion. Auch darüber, was wir unter dem Begriff "Religionsfreiheit" alles durchgehen lassen wollen. Diese Diskussion finde ich auch sehr, sehr nötig. Und da gibt es Schattenseiten bei allen Religionen. Auch darauf liess Schawinski ihn nicht eintreten, obwohl er hier die Chance gehabt hätte, Thiels Argumentation 1. zu verstehen und 2. ihn eventuell ja auch kontern zu können.
Ich finde Schawinskis emotionale Art nicht per se schlecht. Als er in seinem Sender mal in einem Talk Täglich ein Buch einer Psychologin als Schrott abtat und hinter sich warf, zeigte er, dass er gewissen Positionen und Haltungen nicht gelassen begegnen kann oder will. Das sei ihm unbenommen. Doch sein Aufspielen, seine Überheblichkeit anderen Meinungen und Intention gegenüber, die fand ich gestern also unannehmbar und entwürdigend.
Es zeigt sich in diesem Beispiel allerdings wieder: Es gibt sie immer noch: gewaltige Tabus ... Sex, Geld und Religion. Es ist eigentlich erstaunlich, dass der Mensch immer noch meint, es gäbe Dinge, die richtig oder falsch sind. Wissenschaftlich könnte man die Beobachtungen aus der Quantenwelt herbeiziehen, um zu zeigen, wie irrwitzig diese Annahme ist. Aus der Kosmologie die Erkenntnisse über die Grösse des Universums und die Nichtigkeit der Menschlein auf der Erde. Aus den Philosophien das Wissen, dass alles ändert, das einzig Beständige ist die stetige Veränderung. Und natürlich aus der Religion, die Gleichheit aller Menschen - nicht deren Verhaltenweisen. Aber dazu benötigt der Gläubige viel Offenheit - und Mut. Der Mut, eigenes Geglaubtes einer Prüfung zu unterziehen, statt sinnlosem Daranfesthaltens.
Was mich - in eigener Sache, verzeiht den Ausflug in meine Welt - bestätigt, dass - wenn die emotionale Ebene nicht grundsätzlich stimmt zw. 2 Menschen, Gesprächspartner, etc. keine rationale, politische, inhaltliche Debatte möglich ist.
Seis - darüber geredet wird - Hauptsache! Das ist - in dem Thema - tatsächlich das Wichtigste - denn Reden und vor allem Zuhören erlaubt zu verstehen und verhindert vielleicht die nächste Enthauptung oder hätte gestern wahrscheinlich den Tod von Geiseln verhindert, da wo der Präsident von Australien nicht geredt hat mit dem Geiselnehmer. Fatal, wenn einem der eigene Stolz in den Weg kommt, wenn es um Leben und Tod geht. Gestern hätte es Leben gerettet.
Der Radio-Pionier hat den Zenit wirklich überschritten.
„Auch das Alte Testament berichte zwar von Mord und Totschlag, der Koran rufe aber dazu auf. «Finden Sie den Unterschied!»“
(http://www.blick.ch/news/schweiz/satiriker-thiel-e...)