Schawinski entschuldigt sich, aber nicht bei Thiel
So, Schawinksi entschuldigt sich bei den Zuschauern, aber nicht bei Thiel. Immerhin, meine Frage, wieso das denn ausgestrahlt wurde, ist damit beantwortet. Ich weiss ja nicht, ob seine Talkshow live ist oder nicht. Ist an sich egal. Im 20min Blog lese ich ein Interview, in dem Schawinski sich rechtfertigt, er für seine Aktion also nachträglich ein Recht fertigt. (Mir geht es in dieser kleinen Wortzerlegung nicht darum, Deutsch zu zelebrieren, sondern darum, dass der Leser sich mal wieder die ursprüngliche Bedeutungen von Wörtern bewusst macht.)
Denn aus der Rechtfertigung folgt irgendwann die nächste, gleichartige Reaktion auf äussere Reize. Wenn ich mir ein Recht fertige, etwas zu tun, so will ich damit die Absolution, dass ich etwas auch weiterhin so tun kann. Eine einmalige Aktion wird daher über den Entscheid der Rechtfertigens zu einer Fixierung. Da sich die Welt und die Situation aber immer ändern, reagiert eine Fixierung daher eigentlich immer falsch, zumindest aber unangebracht.
Und genau das zeigt Schawinksi weiter unten in diesem Interview. Auf die Frage, wieso er Thiel denn eingeladen habe (auch meine Frage): Er, der meistens sehr aggressiv und invasiv diskutiert, findet dann nach Rechtfertigungen schlussendlich "Thiels Verhalten schändlich". Für mich war mit diesem Satz unmittelbar klar, was da gelaufen ist.
War einfach mal einer da, der Schawinksi den Spiegel vorhalten kann? Scheint so.
Es spielt doch keine Rolle, was der andere macht - Emotionen habe ja ich, nicht der andere. Wieso rechtfertige ich mich dann "der andere ist der Sauhund"? Das ist ja unmittelbar einleuchtend, dass der andere sicher nicht der Grund, sondern nur der Auslöser eigener verborgener Emotionalität sein kann.
Wir Menschen interagieren ja fast alle immer an jedem Tag mit anderen. Nicht alle, Buddha und andere Weise zogen sich in die Klausur zurück, teils jahrelang, um endlich mal klar zu sehen, was denn wirklich läuft.
Sie alle erkannten, dass jeder sich entwickelnde Mensch endlich mal lernen muss, dass nicht der andere ein Problem ist, sondern man selbst.
Weiss ich das nicht, kommt einer daher wie Thiel und provoziert mich und ich falle rein. Oder in meinem persönlichen Fall, provozierte Schawinski mich, ich schrieb ja, dass es für mich fast unerträglich war, der Sendung zu folgen.
Schawinski Recht-fertigt sich also und findet Thiel immer noch so, wie er ihn ja betitelte. Also nichts Neues, Warenmuster mit geringem Wert.
Eigentlich hätte Schawinski Thiel danken müssen, dass jener da war, um seine eigene Schwäche aufzuzeigen.
Starke Egos - wie Schawinski sicher eines ist - haben damit aber meistens Mühe. Und das unterscheidet sie von Weisen. Starke Egos sind starke Fixierungen.
Ich hatte mal den Spruch gelernt, dass der Lehrer dem Schüler dankbar sein muss, dass er jenem was beibringen dürfe, nicht umgekehrt ...
Bedeutet also, dass der Blick nicht auf den anderen gerichtet ist, sondern auch sich selbst, denn der Lehrer wählt doch seinen Beruf, weil er was weitergeben möchte. Diese Verwirklichung ist aber nur möglich, wenn Schüler da sind. Sind beide da, ergibt sich ein Ausgleich und beide Absichten - Lehrer sein, Schüler sein - können sich verwirklichen - in Freude hoffentlich. Das ist dann Leben.
Schawinski zeigt in seiner Rechtfertigung, dass er als Intellektueller natürlich eine gewisse anerzogene, gelernte und auch kultivierte Toleranz hat, für die er sich auch grad rühmt im Interview.
Dennoch ist auch er ein emotionaler Mensch und (noch) nicht weise. Denn er erkennt offenbar nicht, dass es nicht Thiel ist, der seinen Ärger verdient, sondern es die eigene Ohnmacht gegenüber religiös verbrämten Idiotien ist, die sich in dieser Welt halt darstellen.
Er erkennt also wohl nicht, dass Thiel der Tropfen ist, der das Fass des Unverständnisses in Schawinskis eigener Gedankenwelt zum Überlaufen brachte - Thiel war halt einfach der, der als Agent Provocateur den letzten Tropfen fallen liess und daher dafür die ganze Fassladung abbekam. Wie's dem dabei und danach erging, der hat ja daran sicher auch zu knabbern ...
Ich erlebte Schawinskis Emotion als Trigger bei mir am Körper als Unruhe, höhrer Puls, Drang abzuschalten. Ich bemerke also, dass ich eine Resonanz habe, und dass Schawinski etwas in mir anregt. Ich erkenne Schawinski also an als Auslöser von etwas in mir, nicht als Grund, dass ich unruhig wurde.
Wenn man das Wort Toleranz nutzen muss, zeigt man damit schon an, dass man nicht übereinstimmt mit dem Gegenüber, seine Haltung der Höflichkeit halber aber akzeptiert und sich dagegen positioniert. So ist wohl die allgemeine Auffassung dieses Wortes.
Toleranz ist also kein echtes Verständnis, kein Einfühlen. Sondern eine intellektuelle, angelernte Verhaltensweise. Viele sogenannt tolerante Leute sind scheinheiliger als sogenannt intolerante Radikale. Letztere zeigen ihre Emotionen offen, erstere lassen ihre Emotionen nicht los, sondern unterdrücken sie. Letztere schlagen anderen die Rübe ein, erstere halten sich zurück und diskutieren darüber, wie sich die anderen benehmen.
Man sieht das auch schön in den Diskussionen zu den aktuellen Themen: Wie begegnet man den Flüchtlingen aus Afrika, die nach Italien kommen? Wie denen aus Syrien? Wie geht man mit Radikalen um? Wie kommt man mit Putin und der Ukraine-Annexion klar? Alle diese Themen gehen direkt am Verstand vorbei und triggern vorhandene Emotionen. Und auf die reagieren wir dann. Einige gemäss Auge-um-Auge, einige suchen andere Wege.
Ein verstandeskontrollierter Mensch kennt wohl mit der Zeit viele seiner Macken (=Emotionen) - und hat gelernt, wie er damit umgehen soll, denn sonst wäre er wohl bald nicht mehr sozialkompatibel. Dennoch sind die Emotionen ja da - einfach im Schlafmodus. Kommt ein Weckruf, knallen die jegliche Verstandessicherung durch.
Das ist ein ganz einfacher Mechanismus dieser bipolaren Ebene. Bewusstseinstraining hilft einem Menschen, der sich diesem andauerndem PingPong nicht mehr ohnmächtig ausgeliefert erleben möchte, in dieser bipolaren Welt klarzukommen.
Wer wie andere Kommentatoren Emotionalität als Pfeffer und Salz empfindet, der braucht sich darum natürlich nicht zu kümmen. Fragt sich nur, wie geht's dem Kommentator, wenn's ihn dann mal selbst betrifft.
Buddha sagte doch irgendwie, es ist alles eine Illusion. Wenn dem so ist, wieso lasse ich mich denn so aus der Ruhe bringen, verurteile andere? Die's ja dann nicht gibt? Und noch viel schlimmer, dann gibt es mich ja auch nicht ... :-)
Tja, im Film redet der Held auch davon, dass er ein Leben hat - und wir Zuschauer wissen, dass es nur eine Illusion ist ... doch was wirklich bei uns ist, aber nicht im Film, ist die Emotion. Drum machen wir Filme wie die Verrückten und transportieren damit doch nur Reize für Emotionen ...
Titanic ist dann plötzlich ein toller Film, obwohl es doch auch nur um ein absaufendes Schiff geht, weil ein Kapitän nichts geschnallt hat. Ach ja, der Kahn da in Italien, die Costa Concordia mit dem relativ veranwortungslosen Kapitän ... in ein paar Jahren macht Cameron auch einen Film daraus. Dicaprio ist dann wohl zu alt für den Helden, und der Kahn kippt ja seitwärts statt über Bug abzutauchen ... Nun, Cameron wird das schon so hinkriegen, dass die Emotionen in die Papiernastücher und die Kohle in seine Kasse fliessen. Verführerisch, die Ähnlichkeit der Vorstellung und Wirkung ... das ist die Erkenntnis, es geht immer nur um Emotion.
Rotzt man das Taschentuch voll, ist es eine wohlige, romantische, verträumte, sehnsüchtige Emotion. Köpfen die IS Leute andere, ist es eine ohnmächtige, hasserfüllte, verständnislose Emotion. Alles geschieht nur, um in uns Emotionen auszulösen ...
Schon lustig, wie es sich so darstellt. Buddha hatte also recht, das mit der Inszenierung ...
Ah ja, ich möchte noch klarstellen, dass ich einen grossen Unterschied zwischen Gefühl und Emotion mache. Dass es den gibt, kann jeder leicht erkennen, er muss nur mal auf seine Sprache achten ...
So, zum Schluss zum Titel zurück: Ich finde, Schawinski sollte sich beim Thiel entschuldigen. Dann macht er einen persönlichen Schritt. Tut er's nicht, bleibt die Fixerung bei ihm bestehen, die Emotion also auch. Mir auch egal - im besten Sinne des Wortes. Einfühlen konnte ich mich in beide gut. Drum fand ich's ja auch so schade, wie's gelaufen ist.
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