Kindsmord, Paris, Pegida - und Schnellschiesser

So, nun schreib ich halt auch noch meine Gedanken zu Paris, Pegida und Kindermord in Flach.

Wie heute einer im Sonntalk sagte: Man soll nicht sofort die Klappe aufreissen. Nur weil Facebook, Twitter und WhatsApp da sind, die Welt also weder Geographie noch Verbreitungsverzögerungen mehr für News kennt, heisst das nicht, dass man verbale Schnellschüsse machen muss.

Gerade im Kindsmord in Flaach - nach dem die Schnellschiesser natürlich sofort eine Behörde, die KESB, ins Visier nahmen ... gibt es nun weitere Informationen: Dass diese Eltern massiv betrügerisch unterwegs waren, Mietnomaden, weil sie keine Miete bezahlten, Versteigerungsbetrügereien (übrigens auch etwas, was erst das Internet in diese Höhen treiben konnte) und offenbar noch einiges anderes.

Beobachtet man sowas, was würden wohl die Schnellschiesser dann machen mit den Eltern bzw. mit deren Kindern? Na, wie lautet die Schnellschusslösung? Da wär ich ja gespannt ...

Es zeigt sich immer wieder: Die allermeisten mischen sich viel zu schnell ein - nicht wissend, was Sachlage ist. Und als Schnellschiesser haben sie ihre Emotionen nie unter Kontrolle, sonst hätte es gegen die KESB wohl keine Morddrohungen gegeben. Oder viel gefährlicher: Sie nutzen die Kenntnisse der emotionalen Mechanismen, um diese Energie in ihrem Sinne zu lenken.

Schnellschiesser wollen nicht anerkennen, dass es Problemlagen gibt, die erstens kompliziert und schwierig sind und zweitens bei einem Eingriff sicherlich die einen vor den Kopf stossen werden. Und in der späteren Rückschau vielleicht als ganz falsch oder auch als ganz richtig behandelt beurteilt werden.

Also, die KESB habe die Kinder dieser Frau also eingedenk all dieser uns damals unbekannten Fakten für die Festtage zurückgegeben, sie aber dennoch wieder ins Heim stecken wollte. Immer noch sooo falsch? Wer wagt das wirklich zu beurteilen und vor allem, die Konsequenzen der eigenen Entscheidung zu übernehmen? Die Schnellschiesser sicher nicht.

Ditto Paris: Einfach zur Erinnerung: Es gibt keine Zeit - es gibt nur bestätigte oder unterdrückte Emotionen. Vergisst Frankreich, dass es eine Kolonialmacht war? Was es in Afrika mitverantwortete? Algerienkriege? Indochinakriege? Haiti? Dass es Machtansprüche hatte? Diese ja mit der Atombombe immer noch haben will?

Nun, diese Betrachtung ist vielleicht vielen zu esoterisch, dennoch, diese Attentäter haben wohl Frankreich schon gezielt gewählt ... ein Satiremagazin ist halt sehr symbolisch. Würde es bei uns den Nebelspalter treffen, ich weiss nicht, wie's bei uns wäre. Was mir gefallen hat, ist die schnelle Darstellung, dass man die eigenen Werte nicht einfach niederkriegen kann ... es wird den Menschen wohl schon bewusst, dass man eigentlich sagen dürfen MUSS, was man will. Es ist ja immer der Empfänger, der etwas bei sich einordnet, dem die Emotionen in den Kopf schiessen etc.

Im Deutschen gibt es das Bonmot: "Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um."

Hier wurde die Bundesrätin ob ihres Twitterschnellschusses auch sofort bekritelt. Der ihr zugeschriebene Text "Satire darf nicht alles" wurde als unangemessen tituliert. Wieso denn? Wieso passte das den Schnellschiessern nicht?

Darf man unter dem Schutzmantel der Meinungsfreiheit wirklich alles? Darf man das nur darum, weil das (lokale) Gesetz es erlaubt? Ist dies die Rechtfertigung, andere emotional gewollt zu treffen? Selbst wenn sich eine grosse Mehrheit der Menschen hinter einen stellen? Ich fragte ja auch in meinem Artikel über Schawinksy versus Thiel, ob man unter dem Deckmäntelchen der Religionsfreiheit alles sagen und machen dürfe. Hier also dieselbe Frage.

Die Charlie Hebdo Leute wussten, dass sie genau gemäss dem genannten Sprichwort lebten. Nun kamen sie um. Punkt.

Sie wussten, was sie riskierten. Denn ihre Satire funktioniert ja NUR dann, wenn sie WISSEN, dass es andere trifft. Und ihr Kultstatus baisert auf diesem Wissen. Beobachte ich, wie andere wütend werden, während ich cool bleibe, merke ich, dass die Satire trifft - wäre es nicht so, wär's ja einfach ein langweiliges Comicblatt.

Ist es daher nicht einfach so, dass ein Exponat einer Geisteshaltung, diese Charlie Hebdo Leute einfach Opfer derselben wurden? Das passiert uns ja immer, das ist das Leben itself. Wir werden die Auswirkungen unserer Gedanken erleben. Es ist sowas von logisch, dass ich manchmal staune, dass es nicht jedem sofort auffällt ... naja, das ist ein anderes Thema.

Es darf klar sein, ich persönlich finde es daneben, was diese Terroristen machten. Doch auch da: Schnellschiesser wissen sofort, was die waren. Ich aber sage: Die haben auch ca. 25 Jahre Leben hinter sich. Wer weiss, was die erlebten, dass sie sich so reinziehen liessen von einer gewalttätigen Ideologie? A propos: Jesus sagte doch: "Wenn dir einer auf die Backe schlägt, halt ihm die andere auch hin" ... diese Haltung, diese Einsicht, die ist wirklich göttlich und christlich. Und Jesus wusste wohl damals schon, dass nicht jeder eine Beisshemmung bekommt ... dass es ihn also das Leben kosten könnte.

Ist Integration Fremder also der Schlüssel zum friedlichen Zusammenleben verschiedener Kulturen? Ich denke schon, denn: Kenne ich die Lebensumstände, die Geschichte des anderen, kille ich den dann wirklich so locker? Wieso schafften es diese Terroristenausbilder, eine engere Bindung dieser Attentäter zu einer Ideologie als zu ihren Familien herzustellen? Fühlten sich diese Leute eventuell derart einsam, dass eine Ideologie, die ja für sich alleine nichts ausrichten kann, ihre Emotionen in eine Richtung lenken kann, dieses Gedankengut real werden zu lassen? Einpeitscher solchen Gedankenguts schaffen das. Siehe Weltkriege. Das sind also Menschen, die andere, an sich unabhängige Menschen einlullen können.

Man weiss es wohl nicht. Selbst dann, wenn sie mir eine himmeltraurige Vergangenheit vorheulen würden, würde ich sagen: Ok, das war himmeltraurig bis heute. Und nun? Was machst du, damit es künftig in deinem Leben anders wird? In der Selbstmörder(-attentäter)-Ideologie habe ich da zwar wohl keine Chancen (mehr); erreiche ich den Wesenskern jedoch, erlaubt sich dieser Mensch eventuell mal die Freiheit, etwas Neues zu denken für sich selbst. Möglicherweise erkennt er dann, dass das Zerstören von Körpern absolut nichts bringt. Materie ist sich die ständige Umwandlung seit ihrer Erschaffung gewöhnt. Ob sie grad einen Körper bildet oder sich zu einen Mond formt - who cares.

Denn Freiheit ist nicht, alles sagen zu dürfen - eingedenk dessen, dass man genau weiss, dass es andere trifft und man damit eigentlich gegen die Freiheit eines anderen angeht. Freiheit ist, sich nicht mehr betroffen zu fühlen, sich den eigenen emotionalen Impulsen nicht mehr so ausgeliefert zu fühlen. Schnellschiesser inklusive. Diese demonstrieren ja immer sofort, wie unfrei sie eigentlich sind.

In diesem Sinne halte ich den Spruch "Satire darf nicht alles" im Sinne eines gemeinschaftlichen Lebens mit relativ unbewussten Menschen für richtig. Denn der mehr Einsicht in das Funktionieren des Geistes hat, weiss auch, wie er andere mit weniger in seinem Sinne manipulieren kann. Weiss er das, hat er dann die Verantwortung, etwas NICHT zu tun, obwohl es ihm frei stünde, es zu tun? Diese Entscheidung, das ist die wahre Freiheit.

Die Leute von Charlie Hebdo haben diese Frage für sich entschieden, sie gingen in die Gefahr. Nun kamen sie darin um. So ist es. Mehr ist da nicht.

Sage ich immer alles, was ich sagen könnte? Gerade bei denen, die ich auf der Latte habe? Nein, ich erkenne, dass ich sauer bin und regle meinen emotionalen Impuls für mich. Ich rede eigentlich nur wirklich frei mit Leuten, die ihre Gedankenwelt auch im Griff haben. Wieso sollte ich noch mehr Öl ins Feuer giessen, wenn ich mir danach nur noch mehr Ärger vom Gegenüber einhandle, den ich dann auch wiederum loswerden muss? Da kann ich ihn doch eh grad so belassen wie er ist.

Allerdings habe ich dann auch keine Skrupel, so zu agieren, wie es der Gruppe nützt. Ich anerkenne die Entscheidung dieser Terroristen. Würde ich ihrer habhaft, gäbe das eine lebenslange Inhaftierung. Dann haben sie reichlich Zeit, ihre Gedankenwelt zu beobachten - und wohin sie diese brachte.

Das Dumme für uns ist halt, dass man Selbstmörder nicht wirklich aufhalten kann. Und wenn sie das auch noch als Selbstmordattentäter ausleben (halt oder zum Glück nur einmal), so ist das halt ein Lebensrisiko. Denn es ist doch klar: Leben ist tödlich ... :-)

Wenn wir im Nachzug von Paris nun meinen, dass man das mit mehr Kontrolle verhindern kann ... denkste. Klar, mit dem Flugzeug geht's dann halt nicht mehr so leicht. Aber schliesslich gibt's ja noch andere Fortbewegungsmittel. Ditto mit dem Internet und dem Telefon: Man kann unentdeckt kommunizieren und Inhalte verschlüsseln und verstecken. Da können die noch so viel kontrollieren.

Zudem: Wirkt das präventiv? Jeder Terrorist muss sich mit seinem Ziel auseinandersetzen. Also auch mit Technologien. Er wird also seinen Weg finden.

Und noch die PEGIDA ... da kommt halt hoch, was sich in Einzelmasekn anstaute: Unterdrückte Emotionen in deren Leben. Lächerlich im Grossen und halbwegs Objektiven, ernstzunehmen im Einzelfall ... denn siehe: Viele Einzelmasken machen auch einen Umzug. Und dann erstaunt es uns: Woher kommt das bloss. Jeder müsste die eigene Verantwortung erkennen, seine Gedankenwelt in den Griff zu bekommen. Denn sonst liefert er sich ihr aus. Q.E.D.

Es beginnt halt alles im Kleinen. Und köchelt im Kleinen. Dann kommt der Spritzer Hochprozentiges und die Glut entfacht einen Brand. Wehret den Anfängen. Aber jeder für sich, nicht dem anderen eine Reinhauen.

Und kommt man dann auf die Idee, dass ein ganzes Gesellschaftssystem falsch geleitet ist, dann kann man das akzeptieren oder anderen neue Blickwinkel vorlegen.

Denn: die aktuelle westliche Welt hält den Kapitalismus für das Grösste. Darin werden Leute als Leistungserbringer immer mehr wegrationalisiert oder zumindest stark instrumentalisiert. Dumm nur, dass sie nach Ablaufdatum noch weiterleben. Was sollen die dann noch mit ihren 20-30 Jahren Restlebenszeit machen? Oder die die gar nie Verwendung fanden in diesem System? Die haben ein ganzes Leben, um sich Blödsinn auszudenken ... oder was Förderliches. In beiden Varianten kann man sie nicht aufhalten ...

Äs schläckt's kei Geiss ewäg: Jeder muss es selbst regeln, wie er glücklich wird in diesem Leben. Da hat es Rechte und Pflichten. Und um als Einzelmaske mit anderen zusammen auszukommen, gibt es halt eventuell doch etwas mehr Pflichten oder Selbstbeschränkungen - oder zumindest mehr, als wir ausleben.

Ceterum censeo: Think globally, act locally.

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