Bananen-Republik Spreitenbach, Schweiz?
Kassensturz zeigte heute erneut den Fall eines Mannes, der von der Gemeinde genötigt wurde, sein Pensionskassengeld zur Tilgung von Steuerschulden heranzuziehen. Etwas, was gar nicht sein dürfte. Zudem wurde dem Kassensturz die Ausstrahlung eines bereits gemachten und ausgestrahlten Interviews verboten.
Himmelsack, wo sind wir denn? Ist jede afrikanische Republik ehrlicher, wenn sie Gewalt gegen ihre Bewohner ausübt? Weil sie nichts vertuschen? Und in der Schweiz? Benimmt sich diese Gemeinde Spreitenbach nicht einfach wie ein niederträchtiger, hinterlistiger Usurpator? Nimmt sich Rechte heraus, die ihr nicht zustehen? Behandelt einen Steuerschuldner wie eine Auspresszitrone?
Ich hatte mich schon bei der Erstausstrahlung dieses Falles genervt, jetzt aber ist es absolut unerträglich, wie sie sich benimmt. Dass sie dem Kassensturz die Ausstrahlung verbietet, ist geradezu entlarvend.
Gopferdammi, was soll das? Immer nur diese Scheisse, Geld. Menschenwürde, Schicksale gegen den Bach runter. Man muss nicht nach Italien und den Flüchtlingsszenarien schauen, man kann Ignoranz, Machtausübung also auch bei uns finden. Die Arroganz von Spreitenbach geht einher mit derjenigen von Dürnten, wo auch einfach die Machtausübung gegenüber einem Bürger zelebriert wurde. Sich einen Dreck scherend um das Einzelschicksal, man weiss ja das Gesetz auf seiner Seite.
Und immer ist das Argument das Geld. Wieso muss Spreitenbach einen einzelnen Bürger quälen, erniedrigen, in Panik versetzen? Wegen ein paar Tausend Franken? Was hat's denen eigentlich ins Gehirn gesch***en? Ist natürlich falsch gefragt, eine Gemeinde hat kein Gehirn, aber viele Gehirne bilden den Gemeinderat, der scheinbar hinter dieser Aktion stehe. Was also macht denn Leute abgestumpft gegen Schicksale anderer? Wo ist das Einfühlungsvermögen? Der Argumentationsspielraum? Sind wir wieder soweit, dass man wie bei Schindlers Liste Menschlichkeit als bestrafenswerte Sache behandelt? Und sich deshalb jeder hinter dieser Staatsmeinung verstecken kann?
Wieso lassen wir es zu, dass dieses Scheissgeld unsere Denk- und darausfolgend Handlungsweisen diktieren?
In demselben Kassensturz wurde auch der Verfall der Gewalthoheit der Polizei beleuchtet. Weil private Sicherheitsfirmen Jobs übernehmen, die nur die Polizei ausüben darf. Und immer nur das leidige Geld als Argument. Wieso erlauben wir es, dass Gemeinden aus Geldgründen Dinge nicht mehr mit eigenen ausgebildeten Leuten - hier Polizisten - erledigen können und daher privatwirtschaftliche Anbieter einbeziehen? Die dann nicht mal der Rolle entsprechend ausreichend ausgebildete Leute einsetzen? Weil's billiger ist. Schon wieder und immer wieder nur Geld.
Mit diesem Schlag-mich-tot-Argument kann man uns knütteln, unten halten, abrasieren, das Leben vergällen ... weil halt jeder irgendwo Geld braucht. Wenn man/Staat keines hat, muss man halt sparen oder Leistungen nicht mehr erbringen lassen, die zwar anerkennt richtig und wichtig für eine Gemeinschaft sind ... aber halt etwas kosten. Wollen wir denn Zustände wie in den kriegsversehrten Staaten in Afrika? Wo einfach Landlords mit ihren Clans nach dem Motto Auge-um-Auge die Menschen knechten? Ist denn eigentlich nicht bekannt, dass der prosperierende Erfolg einer Gemeinschaft darauf beruht, dass sie ein unabhängiges und unparteiisches Rechtssystem hat? Denn, wenn ich nicht mehr sicher sein kann, dass ich - nach dem Gesetz ungerecht behandelt - dieses Fakt einklagen kann, ja, was folgt denn daraus? Faustrecht.
Beide Fälle zeigen, dass das Geldsystem einfach keine menschenwürdige Lebensführung erlaubt - natürlich, interessiert kein Schwein, wenn man genug Kohle hat ... aber wer weiss wirklich für sich, wie lange er in seinem Leben ausreichend Kohle hat?
Zeigt der erste Fall von Spreitenbach nicht eventuell schon auf, dass Verzweiflung seitens der Gemeinde diese aufs rücksichtsloses Auspressen eines Einzelnen verfallen liess? Ich weiss das natürlich nicht, aber in diesem Falle spielt es auch keine Rolle. Sie benimmt sich arrogant und ignoriert das Gesetz, nützt das Unwissen des Schwächeren aus und verleiht sich damit ein Schamesblatt der Rechtmässigkeit. Wie armselig.
Und muss ich bald Angst haben, von Bruno Brutalos eines privaten Sicherheitsdienstes körperlich zur Herausgabe eines Ausweises gezwungen zu werden, weil am falschen Ort zur falschen Zeit - obwohl sie das gar nicht dürfen, denn sie sind keine Polizei? Weil Geld für Polizei halt nicht mehr da ist?
Also doch bald Bananen-Republik made in Switzerland? Gegen den unsinnigen Sparwahnsinn hat sich Griechenland gewehrt - und auch wenn ich schon denke, dass die sich ihr Leben zu leicht machten - so hoffe ich und würde mich freuen, wenn Griechenland der Geldarroganz einfach den Stinkefinger zeigte und damit durchkommt ... einfach um zu beobachten, wie sich das aufs Geldsystem und die herrschenden Machtstrukturen auswirken könnte ... denn Geld ist ausreichend da, und wenn man zuwenig hat, druckt mans halt in rauen Mengen nach. Was die EZB ja beweist.
Ein österreichischer Wirtschaftsprofessor mit reichlich Chuzpe hat letztens gesagt, dass alle Staatssysteme vor der Macht der Geldhierarchien resigniert haben. Vor allem auch die Deutschen. Merkel macht das, was die Wirtschaft wie auch immer diktiert. Und wir akzeptieren diese Argumentation ja auch noch selbst ... denn wenn es der Wirtschaft gut geht, geht's uns doch auch gut. Geht's noch? Hirn anschalten, Abstand gewinnen, Mechanismen durchschauen, entsprechend handeln!
Drum komme ich immer wieder auf das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens. Wenn man schon ein Geldsystem haben will/muss, dann ein solches, das niemanden erniedrigt, nur weil ein Mensch in ihm nicht der allgemeinen Erwartung entsprechend funktionieren kann/will. Der Fall Spreitenbach und auch der Fall Dürnten zeigen, dass die strukturelle Gewalt Individuen schwer zu schaffen macht - weil diese Gewalt unpersönlich, kalt und maschinell ist. Und weil sich die Ausübenden nur zu leicht hinter deren Regeln verstecken können, Verantwortung abgebend, sich feige herausredend.
Es mag übertrieben erscheinen, sich aufzuregen an diesen scheinbar kleinen Fällen. Doch alles beginnt im Kleinen. Wenn wir nicht achtsam sind, werden die kleinen Sünden zu grossen Problemen. Dann zahlen's zwar alle, aber so macht es doch keinen Spass, das Leben ... und der Umgang mit anderen. Wenn ich Schiss haben muss, dass der andere mich hintergeht, verpetzt, denunziert, das Messer in den Rücken rammt, sei es physisch oder psychisch.
Und wenn ich den Fall der Gemeinde Spreitenbach nun als Anlass nahm, meine ich damit, dass wir alle jederzeit gefragt sind, wieder Ermessensspielraum walten zu lassen. Nicht erst dann, wenn es vor Gericht kommt. Denn dort hat es einen, den Richter, dem Ermessensspielraum durchaus gegeben ist. So kann man in einem unabhängigen und stabilen Rechtssystem auf akzeptable Entscheide hoffen. Aber wenn es nur noch um die sklavische Erfüllung von entmenschlichten Regeln geht - dann kann auch gleich der Computer zu Gericht sitzen. Es ist eine sich enger windende Abwärtsspirale. Als Gesellschaft müssen wir meiner Meinung nach aufpassen, dass Fälle wie Spreitenbach eben nicht passieren, dass Reportern kein Maulkorb verpasst wird, wenn sie solches anprangern.
Drum eigentlich zum Schluss nur noch: Danke Kassensturz, dass ihr da drangeblieben seid. Denn eigentlich wünsche ich mir eine stabile Schweiz, keine Bananen-Republik.
Dass gesellschaftliche Probleme schwierig und umfassend sind - und meist keine Lösung haben - ist mir klar. Die Afrika-Boot-Flüchtlingsschlepperei und die Zaunabschottung Europas gegen die simple landgängige Einwanderung zeigt, dass es kompliziert ist. Aber das Geldsystem kann es auch nicht lösen, im Gegenteil, es ist der Motor der ganzen Misere.
Und wenn einer, dem's finanziell dreckig geht, einem Einwanderer/Flüchtling, dem's wohl noch mieser geht, mit Hass begegnet nur aus reiner Angst, der könnte ihm das Wenige, was er noch hat, wegnehmen, hat einfach noch nie sein Gehirn benutzt, um zu erkennen, dass das Geldsystem das Problem ist - nicht der Andere. Die konstante Knechtung und Erniedrigung derjenigen, die darin nicht bestehen können/wollen. Klar, wer will's ihm verübeln ... Brecht sagte schon, zuerst kommt das Fressen, dann die Moral. Nicht nur in Afrika, Italien, sondern auch in der Bananen-Republik Schweiz. Ich habe aber doch noch Hoffnung ... dass Menschen die staatliche Resignation überwinden. Denn wovon jeder Mensch lebt, das gibt die Erde her, nicht das Geld.
Ceterum censeo: Think globally, act locally.
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