Chronobiologie und Chronotherapie, Gesundheit dank Schlaf

Ich habe meinen inneren Systemen vor langer Zeit das Gebot gegeben, immer das zu erleben, zu finden und in mein Tagesbewusstsein einzuspiegeln, was in mein Leben gehört, das Ego bereichert, mir dient. Ich habe dieser Wirkung schon viele schöne Erkenntnisse und Erlebnisse zu verdanken. Und es ist gratis :-)

Heute also wieder mal - ich schaltete beim Zappen an diesem grauen Sonntagnachmittag genau dann auf den SRF DOK um, als dort eine Sendung über Chronobiologie und darausfolgender Chronotherapie lief.

Schlafforschung hat mich schon immer interessiert, denn Schlaf hat gerade in unserer Hektik- und Rotationsgesellschaft einen merkwürdigen Beigeschmack: Er sei der kleine Tod, er sei verschwendete Zeit, er kennzeichne faule Menschen, er sei hinderlich, wenn man früh arbeiten soll - und nota bene: wenn ich mich erinnere, dass ich im Gymnasium um 7h15 schon auf der Matte stehen musste ... frage ich mich heute, wie das denn ging, bzw. wundere mich, dass ich damals wirklich was lernte ... oder anders gesagt: ich wundere mich, wieso ich heute ein Abend- und Nachtmensch bin, damals aber scheinbar problemlos diesen Frührhythmus ohne Lernbeeinträchtigung durchhalten konnte, so dass es sogar zur ETH reichte.

Nun, in der Biologie wissen wir ja mittlerweile alle, dass biologische und natürliche Systeme Fehlverhalten über eine gewisse Zeit ausgleichen können, dass Wirkungen oft viele Jahre später erst erscheinen. Um etwas vorwegzunehmen, nenne ich eine sehr interessante, im DOK genannte Hypothese: Alzheimer könnte eine Wirkung der jahrelangen Verstosses gegen den Rhythmus der inneren Uhr sein. Rheuma, Krebs, Diabetes II und andere könnten effizienter und schonender behandelt werden, würde die Medikamentation auf die individuelle innere Uhr des Patienten abgeglichen.

Unsere sogenannt moderne Gesellschaft ist der Zeit voraus, der Tageszeit nämlich - und erzeugt damit unnatürliche Probleme. Denn als biologisches System ist der menschliche Körper zwei, neuerdings drei Uhren unterworfen. Erstens dem grossen Rhythmus des Tageslichts, zweitens der individuellen und genetischen Disposition und drittens der sozialen Uhr, der numerischen Tageszeit, die es standardisiert mit Zeitzonen grad mal seit etwa 130 Jahren gibt. Rhythmus 2, also die innere Uhr, bestimmt alle Abläufe im Körper.

Und sie wird täglich neu synchronisiert vom Rhythmus 1, der Abfolge von Tag und Nacht, letztendlich also dem Eintreffen von Licht mit variablem Spektrum. Den blauen Lichtanteil beachte die innere Uhr und synchronisiere sich damit auf "Es ist Morgen". Doch die Sozialzeit und die Sonnenzeit stimmen halt nicht überein, je mehr, je weiter man von der Mitte einer Zeitzone weg ist. Und noch übler, Bildschirme senden zuviel Blaulicht aus, gerade solche von Smartphones und Laptops. Guckt man also abends zu lange in die LCDs, LEDs, wird man nicht schläfrig, denn das blaue Licht signalisiert halt "es ist tag, aufwachen".

Will man also lernen, sollte der Tag für Schüler gerade in den Wintermonaten wenigstens in Räumen beginnen, die Tageslicht ausstrahlen, also genug blaues Licht ausstrahlen, damit die innere Uhr das Körpersystem auf Aktivität trimmt. So fällt Lernen bis zu 30% erfolgreicher und schneller aus, was Vergleichtest bewiesen hätten.

Till Roenneberg ist auch ein Spätaufsteher und hat kein schlechtes Gewissen (mehr). Es wurde zum Schlafforscher und erarbeitete sich die Erkenntnis, dass es eine innere Uhr gibt, die den Schlafrhythmus, die Schlafens- und Aufwachenszeit eigentlich vorgibt - so dass der klingelnde Wecker also jedesmal eigentlich einen unnatürlichen Eingriff in den biologisch sinnvollen Ablauf darstellt. So sei es Blödsinn, Jugendliche zum Aufstehen zu zwingen, denn in der Pubertät verschiebe sich das innere Timing, so dass sie noch im Tiefschlaf lägen. Wecke man sie und zwinge sie zum Lernen, ginge das eh alles nicht wirklich rein, weil das System aus der Nachbearbeitung des vergangenen Tages noch gar nicht raus ist. Sprich: es wollte ja noch nicht erwachen, sondern wurde vergewaltigt dazu.

Im Alltag sagen wir ja oft, wenn etwas gut gelingt, sehr befriedigt: "Timing ist alles" ... aber dem Körpersystem sprechen wir dies ab, indem wir unnatürlichen Rhythmen folgen. Dabei ist gemäss der im DOK präsentierten Forschung der Körper ja auch auf Timing optimiertes System. Bei Rheuma habe man festgestellt, dass der Impuls zur Anheizung der Entzündungen sehr pünktlich sei, bei einer Probandind immer um 2:00 nachts. Könnte man genau dann Cortison wirken lassen, würden die Gelenke nicht oder weniger entzündet. Bis anhin bekommen Patienten ihre Cortison-Medis aber am morgen, wenn die Entzündungen ja schon da sind. Zu spät also. Man habe aus dieser Beobachtung in Berlin eine Tablette entwickeln können, die genau nach 4 Stunden erst ihre Inhaltsstoffe freigibt, so dass die Probandin sie um 22:00 einnehmen und schlafen gehen kann. Sie sagte im DOK, dass Vorher und Nachher wie Tag und Nacht seien.

Auch bei Krebs wird einem Probanden eine chronobiologische Therapie verabreicht, die nach seiner Aussage ihn viel agiler, aktiver und energiereicher leben lässt. Sie beruht auf einer zeitgesteuerten, automatischen Verabreichung der notwendigen Medikamente über eine protable, autonome Minipumpe. Das beobachtete Prinzip: Krebszellen haben ein von der Körperuhr abgekoppeltes Timing. Sie sind aktiv an verschiedenen Zeiten, während gesunde Zellen alle zusammen ein bestimmtes Aktivitätsmuster haben. Die ja giftigen Medikamente bedrohen und zerstören alle Zellen, aber aktive Zellen sind emfpindlicher und daher angreifbarer. Der Chronobiologe Francis Lévi verabreicht daher diese Medis genau dann, wenn die gesunden Zellen in ihrer Ruhephase sind, wenn also weniger von ihnen, aber gleichviel von den kranken Zellen zerstört werden. Es bleiben nach jeder Chemotherapie also mehr gesunde Zellen übrig als mit der klassischen Chemo.

Eine individuelle, auf die innere Uhr abgestimmte Medizin wäre so endlich machbar, sogar von der westlichen Medizin - die ja lange alle über einen Kamm scheren wollte.

Dass es Organzeiten (oder hier) gibt, ist seit langem bekannt, aber irgendwie interessiert das niemanden, und schon gar nicht meine Tagesrhythmen. Mein Arzt hat mich jedenfalls noch nie danach gefragt. Ich aber als Nachtmensch spüre dies genau. Da ich oft bis morgens bis um 4h oder 5h wach bin, merke ich genau die Auswkirkungen meiner Ernährung am Vortag. Meistens zeigt mir mein System dann an, dass ich Depp halt wieder mehr der Lust statt der Erfahrung nachgab. Nur schon diese Beobachtung bereichert mich in meiner Kenntnis über "wie es funktioniert". So kann ich halt ab und an lachen statt mich aufregen, wieso ich denn jetzt nicht schlafen kann.

Interessant fand ich die Aussagen, dass sogar Alzheimer eine Wirkung des ignorierten inneren Rhythmus sein könnte. In Pflegeheimen erlitten sie dazu eine total falsch angepasste Pflege. Alte Menschen hätten oft eine Nachtunruhe, die resistent gegen fast alles sei. Sie werden daher medikamentös ruhiggestellt, was sie dann am nächsten Tag diesen im Dämmerzustand durchleben lässt. So seien nächtliche Verwirrtheitszustände der weltweit bedeudendste Grund für eine Langzeithospitalisation, sagt der Schlafforscher Dieter Kunz. So eine Medikamentation beeinträchtige und belastende dann natürlich auch Angehörige und Pflegende. So sei in einem Demenzpflegeheim als Konsequenz das Lichtkonzept geändert worden und die Tagesbeschäftigung so, dass die Bewohner sich tagsüber ermüden, um abends naturgemäss müde zu sein und natürlicherweise zu schlafen.

Selbst zur Diabetes gebe es Resultate: Bei Tageslicht werde Insulin produziert, die Bauchspeicheldrüse also konstant unter Strom gehalten, die Prouktion von Melatonin werde sogar gedämpft. Sobald die innere Uhr aber meint, es sei abends, wird die Produktion von Insulin reduziert, indem Melatonin ausgeschüttet wird. Das Schlafhormon entlastet also die Bauchspeicheldrüse. Wird diese Entlastung gestört, erschöpft das die Bauchspeicheldrüse natürlich, bis sie irgendwann sogar aufgibt. Und da wir in der westlichen Welt ja ohnehin viel zu kalorienreiche Nahrung haben, muss die Bauchspeicheldrüse ja fast immer chrampfen. Zusammen mit einem gestörten Tagesrhythmus führe das eventuell dazu, dass eben auch immer mehr Jugendliche schon an Diabetes erkranken.

So habe also der Text "Wer schäft, sündigt nicht" eine weitere, sehr gesunde Bedeutung ...

Ein interessanter DOK ... hier mal noch der genaue Titel, um den DOK in der Mediathek von SRF zu finden: "Chronobiologie - Wie tickt der Mensch?".

Was mich bewog, diesen wieder langen Artikel zu schreiben: Wie eingangs erwähnt, meine Faszination für das, was wir Ich nennen, was wir Schlaf nennen, was wir Tod nennen. Wer meint, dass Schlaf verschwendete Zeit ist, irrt wohl. Denn Effizienz und Freude tagsüber sind nicht mit Wachzeit gleichzustellen. Wenn schon die Organe in der Ruhezeit arbeiten, dann ist das aktive Gesundheitszeit. Wer sich diese kürzen will, kürzt wohl zumindest seine Lebensqualität, wenn nicht das Leben selbst. Was ist da dann wohl Verschwendung?

Wir Menschen verhalten uns nicht mehr natürlich. Das muss vielleicht auch nicht sein, denn unsere direkte Umwelt verändert sich durch uns. Wir oder unsere Nachfolger erleben ja dann diese Auswirkungen. Dumm halt, wenn man es wirklich ziemlich genau voraussehen kann.

Dieser Artikel hier möge einen Beitrag aus der DOK Serie andienen, der einem selbst und höchst persönlich ein vielleicht besseres biologisches Leben bescheren kann. Indem man die Biologie und deren millionenjahrelange Optimierungsschritte achtet und Schlüsse fürs eigene Leben zieht und danach handelt. Und im persönlichen Bereich kann das jeder selbst entscheiden.

Ceterum censeo: Think globally, act locally.

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