Patrick Frey fragt: Wieso ist Religion geschützt?
Bei Schawinski waren heute der UBI Ombudsman und der Satiriker Patrick Frey zu Gast. Das Thema war natürlich der Böhmermann. Ein Streitpunkt, der in solchen Diskussionen immer irgendwann aufkommt, ist die Frage, ob Religion, sprich der urpersönliche Glaube eines einzelnen Menschen vor Satire geschützt werden soll.
Frey meint, nein. Ich auch. Frey sagt, dass es ihm nicht in den Kopf gehe, wieso Religion geschützt werden soll, denn in Quintessenz bedeute das ja, dass ein Blumengläuber, der Gott in Blumen sieht, ja schliesslich auch auf Religionsfreiheit pochen darf. Also dürfte man nie mehr Satire über Blumen machen. Ich pflichte dem auch bei, denn es war mir auch noch nie klar, wieso man genau diesen Bereich auszuklammern habe. Wieso wohl ... weil Glaube nicht bewiesen werden kann oder muss? Keine Ahnung ...
Was aber klar ist: Neben Sex und Geld gehört Religion halt noch immer zu den Tabus. Wobei es ja nicht um die institutionalisierten Formen geht, sondern um den eigentlichen Kern, das persönliche Verständnis vom Leben in diesem Theater. Dass hier jeder glauben darf, was er will - absolut einverstanden. Ob man darüber keine Witze machen darf - unsicher.
Dass man aber über die Institutionen witzeln darf, die von Menschen zwecks Ritualisierung des Glaubens erdacht, aufgebaut, aufgebauscht und stellvertretend für den wahren Glauben vertreidigt werden - absolut ja.
Dass hierzulande einmal eine Aussage zum Abendmahl unseres Satirikerdous Giacobbo und Müller zu einem Verweis führte, weil jenes Abendmahl sich nicht besudeln lassen müsse ... wusste ich nicht und zeigt den Irrsinn: Wir schauen lieber dorthin, wo etwas fassbar wird, so dass wir es verteufeln können. Dass dies nur an der Peripherie des wahren Kerns passiert, was den Kern nicht mal tangiert, das lassen wir dann aussen vor.
Es ist zynisch und bigott, dass unter dem Namen der christlichen Nächstenliebe Kreuzzüge vollführt, dass imperialistisches Gebaren der christlichen Länder in Afrika dessen Bevölkerung missbraucht ... der Kern des Glaubens interessiert(e) hier keinen, es geht nur um das Goldene Kalb.
So finde ich also, dass man über alles und jeden Satire machen darf. Ist man exponiert, wird's mehr sein, auch mal ein Shitstorm. Der Spruch "Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um" zeigt diesen Kern auf: Böhmermann hat seine Konsequenzen vorerst gezogen. Erdogan eben nicht, weil er ein Egomane ist. Bzw. er ist ein gewiefter Realpolitiker und damit noch gefährlicher. Er nutzt an der Abgrundkante alles aus, was ihm Macht verschafft, das Volk aber noch goutiert. Es ist also wiederum eine Fassade, die einen Kern verhüllt. Diese soll man jederzeit rannehmen dürfen.
Bevor noch der Text kommt, darf man über Behinderte Witze machen? Klar darf man. Es geht immer um die Absicht. Ich denke nämlich, dass Satire nicht per se böswillig ist, sondern doch noch etwas Heiteres im Über findet. Durch das Lächerlichmachen oder Herausstellen einer Fassade soll es ja genau diese sichtbar machen: Es ist eine Fassade für einen anderen, immateriellen Kern. Auf den sollte man ja eigentlich achten. Und das kann man als Beobachter dann sowohl beim Objekt der Satire wie auch gleichermassen beim Satiriker. Bekanntlich sagt dies ja meist mehr über den Initiator aus, als dem vielleicht lieb ist ...
Doch gute Satiriker kennen ihr Metier. Ihre Gelassenheit gegen Angriffe auf sie gefällt mir. Sie wissen schon, dass sie sich nackig machen, dass sie einstecken müssen, wenn sie austeilen. Und so können sie sogar gewinnen. Newtons Actio = Reactio gilt halt auch hier.
Auch wenn ich mich persönlich über alles lustig mache, auch wenn mich Leute in beliebiger Art titulieren, bedenken, abkanzeln, blöd hinstellen wollen, es trifft mich nicht. Allerdings fühle ich gerne vor beim Gegenüber, um herauszufinden wieviel Direktheit und Sarkasmus er vertragen kann. Und wenn man das mit mir auch so macht, dann ist die Absichtssache nämlich schon geregelt: Es geht nicht ums Zerstören - sondern ums heilende Lachen.
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