BodyCams der Polizei - wieso nicht grad Live Streams?
In der heutigen Rundschau wurde ein interessantes Thema aufgenommen: Da die Polizei selbst immer mehr Ziel von Übergriffen wird, schützt sie sich mit Aufzeichnungen. Polizisten mit BodyCam sind entsprechend gekennzeichnet. Eine präventive Wirkung habe das - solange die Clienten nicht besoffen sind oder in vermummten Rudeln auftreten.
Auf der anderen Seite ist die Polizei hierzulande zum Glück (noch) nicht so wie in der USA, wo sich Polizisten über ihre Befugnisse hinauswagen und - was noch schlimmer ist - klar rassistisches Gedankengut ausüben. In diesem Fall wäre die BodyCam eine Entlastung der Bürgeraktionen, die damit Beweismittel gegen den Polizisten hätten. Wenn der die Kamera nicht abschalten kann.
In der heutigen Handy-Manie filmt ja die Gesellschaft ohnehin, sicherlich auch gerne Aktionen gegen die Polizei etc. Wieso also sollte sich diese nicht des Gleichen bedienen? Weil die Gesetze es dem Bürger erlauben, sich im öffentlichen Raum ungefilmt und unbeobachtet bewegen zu dürfen.
Die Polizei wiederum übt das Machtmonopol des Staates aus - und wie ich immer erinnern mag: der Staat sind wir, nicht irgendwelche anderen. Als Bürger zumindest der zentraleuropäischen Staaten wollen wir das so.
Nun erlauben sich einige also, im Suff oder sonst irgendwelchen emotional zweifelhaften Zuständen, sich gegen Vertreter der Staatsgewalt mit eigener Gewalt zu erheben. Selbst wenn das teilweise sicher verständlich sein kann, ist es an sich menschlich unreif, denn ein exemplarisch angegriffener Polizist ist ja nicht des Angreifers Problem, er ist nur dessen Abreagierobjekt.
Dass auch Polizisten trotz entsprechender psychologischer Schulung und Training über die Stränge schlagen - und dann eventuell noch mit ihrem wohl überlegenen Equipment mehr Schaden anrichten -, ist natürlich auch nicht akzeptabel.
Es ist also eigentlich pari - beide Parteien vergessen ihre Ethik, Moral, Ausbildung unter dem Druck irgendwelcher Emotionsausbrüche.
Ich bin gar kein Fan von unkontrollierter Datensammlung, doch zum Selbstschutz? Wenn in London überall eine Kamera hoch über der Strasse mich eh und ohne konkreten Anlass überwacht, wieso dürfte das ein Polizist, der konkret mit mir zu tun hat, das nicht tun dürfen?
Und wenn er selbst Schuldiger wird durch einen Übergriff, was macht er, sein Vorgesetzter dann mit den Aufnahmen? Anmerkung: Bisher ist meines Wissens die Aufnahme erst auf dem Chip der Kamera. Also nicht gesichert vor Manipulation. Sowohl ein Täter wie auch der Polizist können diesen Chip wenn nicht manipulieren, so sicher behändigen oder gar zerstören.
Jetzt kommt das Internet der Dinge, das IoT. Und damit LORA, das Überall-WLAN. Ich schlage daher vor, dass die Polizei schmalwinklig abbildende Live-Streams direkt an eine Zentrale senden. Natürlich immer noch gekennzeichnet. Eventuell eingebaut in Schutzbrillen, die sie ja wohl eh mal anhaben werden, solange es Deppen gibt, die mit Lasern Leute blenden. So würde ein Live-Stream von einer Brillenkamera ohne Eingriffsmöglichkeit direkt weg vom Konfliktschauplatz zu einer neutralen Beobachtungszentrale gehen.
Diese hätte dann den Vorteil, dass dort nicht nur Staatsorgane sondern auch Ombudsleute den Input-Stream und dessen optionale Speicherung beurteilen könnten. Zudem wäre natürlich die Eingreifszeit verringert, Verstärkung zum Schutz einer Zwei-Mann-Patrouille vor einer Horde Holigans könnte schneller arrangiert werden.
Und eben, erlaubt sich der Polizist selbst mal einen Übergriff, so ist der Beweis schon abgeliefert, keine Manipulationsmöglichkeit. Schaltet er ab oder verdeckt die Linse, wird er per Funk darauf hingewiesen. Es könnte auch sein, dass die Abschaltung der Kamera auch gleich bedeutet, dass er eine Dienstpause macht, sprich ersetzt werden muss, kein rechtlicher Schutz mehr in Zweifelsfällen.
Was ich hier beschreibe, ist nicht etwas Utopisches. Wer mit einer Google-Glass rumrannte, hat im Wesentlichen genau das gemacht. Von Augmented Reality ist ja auch bekannt, dass Rechner in den Live-Stream Grafiken einbetten, um Arbeitern und eben wohl bald allen diese "angereicherte Realität" anzubieten. Wenn unsere Handies in demselben Masse an Power zulegen wie die Grafikchips, wird künftig wohl das Handy alles an Bord haben, um die aktuelle Sicht einer Kamerabrille mit Hinweisen zu erweitern. Man stelle sich vor, dass einem Holigan eine Einblendung anzeigt, wo ein Polizist mit Ausrüstung XY welche Mittel mit sich trägt ... oder auch grad die Körperstellen anzeigt, die man trotz Schutzweste mit einem gezielten Hieb / Stich zum Nachteil des Polizisten behandeln muss.
Das alles ist heute möglich. Wieso sollte da die Polizei zum Selbstschutz nicht wenigstens einen Handlungsablauf aufzeichnen dürfen, um den nachrangigen Rechtsorganen eine möglichst ungefärbte Version zur Entscheidungsfindung vorlegen zu können?
Es ist ein Wettlauf des Hochrüstens - wie beim Militär. Nicht unseres Landes, die haben nur eine Bürozeiten-Schönwetter Flugzeugflotte. Doch dank allgegenwärtiger Vernetzung und immer mehr Rechenpower im Hosensack - und optionaler kumulierter Cloudpower wie für Siri, Cortana, Amazon - ist nicht nur die Überwachung möglich, sondern auch die Nutzung dieser Power für invasive Aktionen.
Was mich an sich an dieser Sicht betrübt, ist der Verlust der Hemmungen - und der Empathie. Solange sowohl auf der einen wie der anderen Seite Menschen agieren, ist eine defensive Verhaltensweise, um auch unüberbrückbare Ansichten nicht in Gewalt ausufern zu lassen, wohl eine bessere Wahl. Denn schliesslich geht eines jeden Leben ja weiter nach der Aktion - inklusive Konsequenzen.
Anders wäre es, wenn der Staat seine Leute à la Judge Dredd ausrüstet oder gar wie bei Robocop. Dann steht der Mensch einem Cyborg oder Roboter gegenüber. Wer meint, das sei wohl Dystopie: Guckst Du hier: Boston Dynamics' Atlas.
Nun mal im voraus bedenken: Wie weit will ich es mit meinen Emotionen kommen lassen? Wäre es nicht besser, ich käme einfach mit meinen Emotionen besser klar? Würde meinen Horizont der möglichen Handlungsstrategien im Vorfeld erweitern? Denn was klar ist, Emotionsladungen reduzieren die Wahrnehmung der Realität bis auf einen winzigen Punkt.
Bevor ich mich also dem Atlas gegenüber sehen will, überlege ich mir vorher, was ich erleben will. Naja, es ist wie immer ...
Think globally, act locally. Und vor allem: Denk mal VOR, statt NACH!
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