Ich bin ja nicht nur Fan von Harald Lesch ... ich bin genau gleich eingestellt wie er ... bin nur wenig jünger als er und halt kein Professor. Unterrichten, das tue ich ja schon auch ... Nicht, dass es den Professor bräuchte ... nennt Lesch die Bologna-Reform doch "das Resultat schlechter Verdauung", ein Irrsinn ... da erinnere ich mich doch an meinen Blogartikel von mir "Was wir alles der Wirtschaftlichkeit opfern" ...
Sein Satz "letztens bin ich auf allen Vieren deprimiert aus dem Bett gekrochen, weil in Brasilien einer gewählt wurde, der in den Tropenwäldern demnächst ein Kettensägenmassaker veranstalten will" trifft meine Bestürzung über den Umgang der Menschen mit der Mitwelt ziemlich genau.
Dabei muss ich natürlich nicht nach Brasilien schauen ... in der Schweiz will der Bundesrat doch aktuellerweise tatsächlich das bescheuerte Problem der Staus während der Rush Hour mit einer no bireweichere Idee "bekämpfen": Die grossen Autobahnen müssen 6-spurig werden. Und das in der Schweiz, wo es nun wirklich nicht mehr viel Platz gibt, der nicht dem Auto untertan gemacht wurde. Wie wenn es gottgegeben wäre, dass man Staus hat. Bzw. die Gründe, wieso es Staus überhaupt gibt, werden ignoriert, schulterzuckend akzeptiert, als alternativlos hingenommen. Das ist einfach Bullshit. Mir fehlt da jeglicher Humor.
Harald Lesch geht ebenfalls noch auf die Idiotie des Pendelns ein ... und wieso das Pendeln überhaupt zustande kommen musste ...
Wenn ich mir vorstelle, wie oft Lesch schon gegen die Windmühlen angesprochen haben mag ... ich bewundere, wie er durchhält und die Thematik mit Humor dennoch immer wieder an den Mensch bringt. Das geht wohl auch nur, weil er sich zum Glück erlaubt, sehr, sehr deutlich, direkt und klar zu sein: Die ferne Lithium-Gewinnung für unsere eMobilität ist "Scheisse" ...
Sein global vernetztes Denken, seine Assoziationen ... "sehen Sie sich an, was wir anstellen. Und wir alle werden es bezahlen. Nicht unbedingt mehr du, aber deine Urenkel ganz sicher".
Es ist aber sehr starker Tobak. Und Lesch wird noch klarer, in der Fragerunde. Zum Beispiel das persönliche CO2 Konto. Es geht nichts mehr unpersönlich. Es gibt keine Ausreden mehr.
"Stellen Sie sich bei jeder Unternehmung die Frage, ist das sinnvoll?" Und es wohl einfach mal sein zu lassen. Und vor allem, endlich die Privatisierung und Ökonomisierung allgemeiner Lebensbereiche wieder aufzugeben. Er erklärt einleuchtend, wieso es bescheuert ist, Transport, Energie, Pflege, Wohnen kapitalistischen Privatwirtschaftlern zu überlassen. Denn dann geht's um Virtuelles, Zahlen auf Bankkontos einiger weniger. Die Natur, der Mensch sind aber real. Wieso haben die Menschen es zugelassen, dass egoistische Kapitalistengier gemeinnützige Dienste und Angebote übernehmen konnte.
Auf den Einwurf, die Lösung sei "Gummis verteilen" (sprich Geburtenkontrolle), wird Lesch unmittelbar sehr eindringlich, wenn nicht gar giftig, fast schon gehässig. Mit aller Verve weist er den Frager zurück: "Das ist soo billig". Nicht die anderen sind zuviel, wir sind zuviel und verbrauchen zuviel. 500 Millionen Europäer. Wir, die Europäer, Amerikaner, Japaner und Australier haben das Probelm geschaffen.". Dies müsse man sich vor allem anderen mal wirklich eingestehen.
Die soziale Wärme ist ein Mass für den Energieverbrauch pro Mensch. "Ein BRDler verbrauche 125kWh pro Tag, der Chinese 40 kWh, der Inder 20 kWh. Was glauben Sie, wenn die unseren Lebensstil erreichen? Das war's." "Wir müssen da runter und die nicht da hoch". Lesch demontiert diesen Einwurf dramatisch und klar. Selbst wenn Geburtenkontrolle was wäre, das wirkt zu spät, denn innert 20 Jahren müssen wir aus dem CO2 raus, denn sonst ist es zu spät. Gummis kämen in jedem Fall zu spät. "Ein Sudaner mit 10 Kindern lebt immer noch ökologischer als jemand, der in der Lodge irgendwo in Grünwald lebt."
"Der Glücksindex der Bhutanesen habe sich durch die Einführung des westlichen Lebensstils verändert." "Mehr Handies, mehr Kaffee habe dazu geführt, dass sich der Bhutanese unwohl fühlt, weil der Zeitdruck zugenommen habe." Der Staat Bhutan hat als einziges Land der Welt statt der Bruttosozialproduktes einen Glücksindex als Mass für das Prosperieren des Landes.
Ein absolutes Hinhören-und-Verstehen-Muss: Das Kapitalozän. Punkt. Gerade für die, die nichts vom Klimawandel durch den Menschen halten ... aber ob die das ertragen würden ... ein empathischer Mensch hat wirklich seine liebe Mühe, soviel Fakten und vernetzte Betrachtungen zu ertragen. Mir ging es jedenfalls so, obwohl ich diese Fakten ja schon kenne. Die Betroffenheit und Verantwortung kann ich bei mir nicht wegdrücken.
Doch nicht nur HÖREN, sondern vor allem HANDELN. Mit wissenschaftlichen Daten von Scinexx als Basis - Empfehlung von Harald Lesch.
Ein Nebenschauplatz ist da grad die Meldung, dass doch tatsächlich die Basler Stadtregierung die Stirn hat, Jugendliche mit Strafen zu bedrohen, weil die nicht am Samstag, sondern unter der Woche fürs Klima protestieren gehen und dafür natürlich schwänzen müssen. Wie kann man jemanden bestrafen, der sich für die eigene Zukunft engagieren will, die der Strafer ja nicht mehr erleben wird ... lächerlich.