Ich wollte mir schon lange wieder ein gutes In-Ear Headset zulegen. Allerdings will ich sowas nicht blind oder hier ungehört kaufen. Es ist jedoch schlechterdins nicht möglich, so ein In-Ear-Headset zu testen ... hygienische Gründe ...
Dabei könnte durchaus ein Laden bei den üblichen Kopfhörer-Teststationen so ein In-Ear hinstellen. Feuchttücher und es wäre erledigt. Dann würde das Personal in MediaMarkt und Konsorten auch mal noch was Sinnvolles tun ...
Ich hatte mehrere der Bose kabelgebundenen In-Ear-Headsets, die leider nicht mehr hergestellt werden. Ich war von denen beim ersten Mal schon begeistert, weil sie mit den Laschen sich im Ohr verankerten und nicht einfach nur durch den Reibungswiderstand im Ohr halten. Ich mag es ohnehin nicht, wenn Headsets sich wie Pfropfen ins Ohr stecken und mich total taub machen. Ich hatte grade letztens ein günstiges Sony ExtraBass Headset gekauft, kabelgebunden. Wenn ich das richtig einsetze, bin ich recht taub und das, was mich am meisten störte: Knochenschall ... oder wie auch immer.
Jedenfalls, wenn ich sprach oder mitsang, hörte ich mich sehr laut über den Knochenschall, der sich über die eng sitzenden Ear-Buds einkoppelte. Das mag ich überhaupt nicht. Immerhin, der Bass war recht, das Teil günstig, funktioniert. Aber zufrieden oder gar happy ist bei mir anders.
Lange schon beobachtete ich also die Boses. Da im Shop meiner Wahl letztens eine Reduktion angeboten wurde, ich nach jahrelangem "Bluetooth, ne, brauch ich nicht" doch noch vom Komfort mit Funk bei Headset überzeugt wurde, kaufte ich mir das Bose QuietControl 30 schlussendlich. Der Überzeuger war - ein Dell Nackenbügel Headset BH200 -, das seit über 8 Jahren ungenutzt bei mir irgendwo unbemerkt und daher ungenutzt rumlag. Es ist ebenfalls ein Bluetooth-Gerät. In den letzten Monaten begann ich es zu nutzen und wurde Fan von BT-Headsets.
So kann ich grad etwas vergleichen. Der Dell ist ein kleiner Over-Ear Hörer, der dank des Bügels recht komfortabel ist, aber halt doch etwas aufs Ohr drückt und beim Fahrradfahren starke Windgeräusche induziert. Der Klang ist so, wie ich es mir wünschte, Bass ist da, nicht zu dominant, eigentlich sehr gut.
Die BT-Empfangsempfindlichkeit ist offenbar sehr gut, denn an meinen Quellen - ein stationärer PC und ein iPhone - spielt der Dell wesentlich länger ununterbrochen als das brandneue Bose, das doch schon viel früher stottert, wenn ich durch die Wohnung gehe. Das erstaunt mich, da ich erwartet hätte, dass ein fast 10 Jahre moderneres Headset besser performt. Möglicherweise ist aber auch die Bauform Grund für die unterschiedliche Empfindlichkeit.
Das Bose QC30 ist ein nettes Teil, der Tragekomfort ist des "Halsbandes" wegen recht angenehm, die Kabel der Ear-Buds sind allerdings etwas kurz: Hat man einen Kragen oder ein Halstuch um, bemerkt man beim Kopfdrehen die Straffung der Kabel und die Ear-Buds fallen raus oder lockern sich zumindest. Ist nichts Behinderndes oder Einengendes da, ist dies nie ein Problem, weil der Halsbügel an sich keine Spannungen auf die Kabel zu den Ear-Buds kommen lässt.
Meine Feststellung war zudem, dass ich entweder einen zu dicken Hals habe oder der Halsbügel schon eher knapp sitzt. Das bemerke ich aber nur, wenn ich drauf achte, ansonsten vergesse ich ihn tatsächlich. Ich bemerke auch nicht, dass sich das Hufeisen doch leicht bis stark verdreht. Drehe ich dann irgendwann mal den Kopf, fällt garantiert ein Ear-Bud raus.
Der im Bügel integrierte Ein-Aus-Taster ist abgedeckt durch eine grössere Gummi-Markierung. Der Druckpunkt ist allerdings viel kleiner als diese Markierung. Das macht es erstens schwierig ihn zu treffen und zweitens muss ich auch noch stark drücken. Es ist bei meinem Modell so, dass ich den Schalter nicht drücken kann, wenn ich den Bügel um habe. Ich muss ihn abnehmen und dann erst noch mit dem Fingernagel drücken und ggf. sogar mehrfach, wenn ich den Druckpunkt nicht auf Anhieb finde. Das ist zumindest schon mal unerfreulich für ein Headset, dass knappe CHF 300 kostet.
Das scheint unwichtig zu sein, aber man kann den Einschalter eben auch im Betrieb drücken, um via Sprachmeldung zu erfahren, mit welchem Zuspieler das QC30 grad gekoppelt und wie der Ladezustand ist. Die Sprachansage informiert auch darüber, wenn eine Verbindung unterbrochen ist.
Der Micro-USB-Port zum Laden ist etwas weiter oben am Bügel und mit einer Gummilasche abgedeckt. Irritierenderweise schaltet sich das QC30 bis auf die blinkende Power-LED komplett ab, wenn es geladen wird. Und zwar sogar so weit, dass die BT-Verbindung offenbar weg ist, und sogar die Bose-eigene App das QC30 nicht mehr findet. Das Laden scheint relativ schnell zu gehen, wobei ich da in der App schon merkwürdige Zahlen fand. Die Prozente der Ladeanzeige scheinen nicht sehr genau oder zumindest eher sprunghaft zu sein.
Wie auch immer, es geht ja ums Hören - und wenn das QC30 am Laden ist, dann ist halt nichts anderes möglich.
Zum Klang also: das QC30 ist ein Headset, das mit einer konstant arbeitenden Noise Cancellation (NC) ausgestattet ist. Die kann über die App oder zwei Tasten in der Intensität gesteuert werden, wobei sich das QC30 dummerweise den aktuellen gewählten Wert nie merkt: Schaltet man es aus und wieder an, ist die NC wieder auf 100%.
Wenn man mit der NC etwas spielt, finde ich es erstaunlich, dass deutlich erzeugtes Rauschen hörbar ist, wenn man die NC aufs Minimum setzt. Ab ca. 30% ist das Teil ruhig. Es sind allerdings Rauschfahnen zu hören, wenn ich rede - ohne was abzuspielen. Es hat die Anmutung von früheren Noise-Gates, die eben diese Rauschfahnen erzeugten. Diese sind beim Abspielen von Musik dann natürlich unhörbar. Beim Telefonieren allerdings gibt es wieder deutlich hörbare Artefakte der immer arbeitenden NC.
Ich halte von NC eigentlich fast gar nichts. Sie funktioniert nicht richtig, da sie ja immer hinterher ist und kann eh nicht alles dämpfen. Die Ear-Buds dämpfen für sich alleine schon mehr, als jede NC leisten kann. In diversen spontanen Tests, nicht nur heute und auch mit anderen Hörern, empfinde ich die NC als sinnloses Gadget, als Marketing-Argument, um mehr zu verdienen. Denn wenn man Musik abspielt, ist die Umgebung ohnehin ausgeblendet - und zwar psychoakustisch. Da braucht's keine Technik.
Ich habe an einem Teststand mal einen Sony 1000XM probiert, ein Closed-Over-Ear Kopfhörer mit NC. Dessen NC war irgendwie auch nicht das Gelbe vom Ei. Ich weiss nicht, wieso die Leute so flippen auf dieses "Feature". Die Dämpfung der physischen Teile an sich ist mehr, als die Elektronik leisten kann. Und die nuckelt ja erst noch am Akku.
Wie auch immer, am QC30 ärgert mich dann eher, dass man die NC nicht komplett abschalten kann, bzw. nicht weiss, ob die NC bei 0% Stärke ausgeschaltet ist oder nicht. Ihr Wirken ist halt eben hörbar.
Der Klang jedenfalls ist gut, meinen Erwartungen entsprechend. Der Bass sogar recht prominent, die Mitten etwas zu präsent. Aber sowas ist ja ohnehin etwas Geschmackssache. Im Vergleich zum Dell ist er unmittelbarer, näher, direkter. Der Dell hat halt als Over-Ear etwas mehr Platz zwischen Membrane und Trommelfell, so scheint mir der Klang bei ihm etwas unaufdringlicher, im Vergleich zum QC30 distanzierter, luftiger. Das gefällt mir bei den Mitten, der Bass dürfte etwas stärker sein. Der QC30 ist da wie gesagt dominanter, was ich allerdings den Ear-Buds attributiere.
Ich bin kein Fan von Equalizern oder Überbetonungen. Ich mag es allerdings schon sehr, wenn der Bass trocken und prägnant ist. Der QC30 ist für meinen Geschmack da allerdings grad an der Grenze zum minimalen Übertreiben.
Das QC30 lässt sich mit bis zu zwei Geräten koppeln. Das Wechseln von zuvor gekoppelten Zuspielern ist jederzeit leicht möglich, indem man den einen stoppt, den anderen startet. Das QC30 erkennt offenbar am Nutzsignal, welchen Zuspieler es wiedergeben soll.
Die App erlaubt darüberhinaus auch, das Streamen der Soundquelle auf einen weiteren QC30. Ich weiss allerdings nicht, was man mit BT und aktueller Audio-Hardware überhaupt machen kann.
Dass mein iPhone seine Musik auf den QC30 und den Dell zugleich senden würde, ist jedenfalls eine Illusion. Meines Erachtens gibt es ja dafür keine technischen Hindernisse, aber eben. Gerne lese ich von Euch, was heute möglich ist mit BT Profilen. Letztens las ich allerdings, dass BT 5.x dieses Feature können soll.
Abschliessend kann ich sagen, dass der Klang des QC30 auf dem erwartet hohen Niveau liegt. Der Tragekomfort ist sehr angenehm, kein Knochenschall. Der Bedienkomfort ist ausreichend, denn das de facto Nicht-Brauchen-Können des Einschalters im umgelegten Halsbügel, der mühsame Druckkontakt und die komplette Deaktivierung beim Anschluss des Ladekabels finde ich an sich unpassend für ein knapp CHF 300.- teures Headset. Aber das sind Nebenschauplätze, mir geht es um den Sound.
Für mich ist der QC30 den Aktionspreis auf jeden Fall wert.