Die geniale Serie Universum der ORF brachte letztens eine Spezialsendung zum Thema Savants. Dank TV kennt wohl heute jeder solche Begabungsphänomene: Menschen, die etwas enorm bis wunderbar gut können, Dinge eben, die wir nicht können. Wie zum Beispiel mit grossen Zahlen rechnen, wie ein Deutscher, dem man Fragen wie 2342 hoch 17 stellen kann, der nach Stellung der Frage schon mit dem Sprechen der Lösung beginnt, selbst wenn die 24-stellig ist.
Den Savants, die teilweise unvorstellbare Dinge können, scheint allen gemeinsam, dass sie gewisse Filter nicht haben, bzw. diese im Gehirn abgeschaltet sind. Ein Gehirn habe nach Aussage eines Experten eine halbe Trillion Synapsen, das reicht völlig, um alles, was so ein Mensch erlebt, komplett zu speichern.
Das lebendige Vorbild von The Rainman heisst Kim Peek und hat die Fähigkeit mit beiden Augen je eine andere Seite eines aufgeschlagenen Buches in 8 Sekunden zu lesen. Er kennt das gesamte Auto- und Bahnnetz der USA auswendig. Er hat bisher 12'000 Bücher gelesen, jedes einmal, und kann sie auswendig. Er kennt 2000 Jahre Geschichte auswendig (das, was in den Büchern dazu steht).
Aber er kann sich nicht selbst anziehen, ist völlig überlastet im Umgang mit Menschen, kann nicht alleine durch die Strassen gehen. Er geht allerdings seit dem Film mit Dustin Hoffman in die Schulen und erstaunt dort die Studierenden mit seinem lexikalischen Wissen.
Die Forscher in dieser Spezialsendung entdeckten, dass diese Leute erst noch viel weniger Gehirnaktivität haben als Normale, bei denen im Gehirn schon viel los ist, wenn sie an schwierige Aufgaben geraten. Man weiss ja schon länger, dass die Gehirne von Hochbegabten tatsächlich kühler bleiben als die von Normalos. Bei den Savants ist es noch extremer: Bei Kim sind sind nur wenige Zentren aktiv, selbst wenn er mit komplizierten Zahlen oder den Primzahlen hantiert. Bei Normalos glüht das Gehirn dann schon.
Die Forscher entdeckten, dass diese Menschen alle Details der Welt, wie sie ist, speichern. Wir Normalen hingegen bewerten andauernd und markieren so gewisse Speicherungen. Nur an diese können wir dann leicht gelangen, anderes Gespeichertes ist uns unerreichbar. Genau dies machen offenbar Savants nicht, sie laden nicht emotional auf, sie speichern nur. Und weil sie keinen emotionalen Filter über ihrer Speicherung haben, können sie an alle Daten herankommen.
Alle diese Savant haben aber enorme Probleme mit dem sozialen Umgang mit anderen Personen. Spannend ist, dass einige dieser Savants, die den Umgang mit uns Chaoten lernten, sagten, dass sie Menschen unklar, unscharf, vage finden. Die amerikanische Autistin Dr. Temple Grandin hat die Gabe, die Welt durch die Augen von Tieren zu sehen. Sie sprach kein Wort bis sie fast vier Jahre alt war. Dann lernte sie langsam die Sprache sprechen, nota bene, die menschliche, aber wie eine Fremdsprache. Sie lernte sie auswendig, so dass sie heute besser sprechen kann als die meisten Amerikaner, weil sie mehr Sätze gelernt hat. Doch Dinge wie Verlieben, Romantik, das wird sie nach eigener Aussage weder je verstehen, begreifen noch erleben können.
Sie ist das Paradebeispiel, dass ein Autist nicht immer Autist bleibt, sondern sich durchaus hinaus in diese Realität wagen und in der sogar Preise abräumen kann. Denn Dr. Grandin soll in der USA schon die Hälfte aller Tierfabriken so umgebaut haben, dass sie die Tiere nicht mehr stressen, dass keine Panik entsteht etc. Dies konnte sie alles erreichen, weil sie wie die Tiere sehen kann. So gestaltet sie Koppeln, Gänge, Rampen, Schlachthöfe so, dass die Tiere ruhig und gelassen bleiben. Diese Fähigkeit machte sie berühmt.
Den Experten zufolge haben viele dieser Autisten einen geänderten Gehirnaufbau, oft ist auch die Verbindung der beiden Hemisphären verkümmert. Es scheint so, dass diese Verbindung wichtig ist, um einen Ausgleich zwischen rein sachlicher, fotografisch präziser Aufnahmefuntkion und menschlicher Unschärfe, Schwammigkeit, Unzuverlässigkeit, Lügerei herzustellen.
Savants, die lernten, mit normalen Menschen umzugehen, verlören teilweise ihre Fähigkeiten.
Eine wirklich spannende Sache, denn offenbar sind Savants diejeningen, die die Welt so sehen, wie sie wirklich ist, und das jeden Tag neu. Wir Normalen hingegen sehen nur, was wir wollen, weil der Emotionalfilter nur das ins Tagesbewusstsein steigen lässt, was er als wichtig bewertet hat. So erscheint uns die Welt doch immer gleich, der Alltag eben. Doch sie ist es nicht, worauf man durch etwas eigenes Überlegen auch hätte kommen können. Dieser konstant grosse, sich stetig ändernde Datenstrom ist das, was die Autisten ja auch überlastet, wir Normalen aber gar nicht (mehr) wahrnehmen.
Doch alle Menschen haben nach den Experten diese Speicherfähigkeit. Wie sonst könnten wir im Halbschalf mit dem Auto heil durch den grössten Verkehrstrubel durchkommen? Der Filter sorgt automatisch dafür, dass der Eingabestrom einsortiert wird, aber nicht mehr ins Tagesbewusstsein kommt und uns stört.
Da es hinlänglich bekannt sein dürfte, dass Frauen kommunikativ und sozial den Männern überlegen sind, hatte der Experte dann noch einen anregenden Satz zu bieten: In Konsequenz sei die männliche Denkstruktur autistisch.
Der Mann ist doch der, der weniger kommuniziert, egoistisch, unkooperativ wird. Frauen sorgen sich mehr für die Gruppe, haben weniger Profilierungstendenzen und sprechen mehr untereinander. Gemäss Experten hätten Männer und Autisten offenbar ein S-Gehirn, Frauen ein E-Gehirn.
Der Mann habe diese Intorvertiertheit, dieses Grübeln, dieses Schema-Finden .... ohne dies, so der Experte, wir noch weiter hinter der Erfindung des Rades wären.
Das Asperger-Syndrom ist eine mildere Art des Autismus. Diese haben ebenfalls Schwierigkeiten mit vielen "normalen" Menschen. Ich hatte mal Kontakt zu einem Mann, der hatte einen IQ von 164. Er lebt sehr zurückgezogen und wählerisch, hat einige Macken, die sich mir schon schnell eröffneten, als ich ihn besuchen durfte. Dieser Mann sagte mir damals auf den Kopf zu, ich hätte auch das Asperger-Syndrom (gehabt). Damals konnte ich gar nichts damit anfangen, aber nachdem ich diese Spezialsendung gesehen habe, könnte er recht gehabt haben, wenn ich aus heutiger Zeit zurückschaue auf meine eigene Entwicklung.
Dass sich in der gesamten Sendung die Experten klar die Frage stellten, ob wir überhaupt irgendwas selbst entscheiden, also ob das Tagesbewusstsein, das, was Ich sagt, wirklich nur eine einzige Entscheidung aus sich heraus tätigen kann, ist nur die logische Konsequenz aus der Beobachtung der Savants.
Sie deuteten an, dass dem nicht so ist. Das Ich ist fast niemals Herr im Haus. Deshalb hat das Ich ja auch nichts mit Realität, sondern nur mit Verhaftung und Festhalten von emotional fixierten Bildern zu tun.
Dafür scheinen Savants keine Egoisten zu sein, denn sie setzen ihre Fähigkeiten nicht für eigene Ziele ein. Der eingangs erwähnte Deutsche machte einen Black-Jack-Test. Nach zwei Stunden habe er bereits das Spiel durchschaut und alle gespielten Karten abgezählt, so dass er auf die Gewinnstrasse kam. Man sollte vielleicht wissen, dass man durch Abzählen der Karten Black-Jack vom Glücks- zum Rechenspiel mit voraussagbarem Ausgang wandeln kann, wenn man bloss zählen kann. Gegenüber bekannten Spielern, die sich damit in den Saloons unbeliebt machten, interessiert das Savants nicht, der Deutsche sagte jedenfalls, es wäre im danach schon langweilig geworden.
Ich finde alle Informationen über Savants sehr bereichernd, denn sie zeigen Menschen, die direkten Zugriff auf etwas haben, was jeder Mensch mich sich herumträgt, seine Erinnerugnen. Wieso sie das können und wir nicht, das ist die Ausgangslage einer spannenden Reise ... schliesslich ist ja wohl noch lange nicht klar, ob die Gedanken das Gehirn formen oder das Gehirn die Gedanken ...